■ USA: Das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton rückt näher
: Jetzt wird's ernst

Lange wurde über ein Amtsenthebungsverfahren spekuliert. Jetzt sind sie da, die Anklagepunkte gegen Präsident Bill Clinton. Vier sind es geworden. Und sie umfassen das ganze Register – vom Meineid über Beeinflussung der Justiz bis zum Amtsmißbrauch. Das Impeachment ist ein Stück näher gerückt. Die republikanische Mehrheit will Clinton aus dem Amt entfernen, egal, was das für das Land, für seine politische Kultur und für das Verhältnis von Regierung und Parlament bedeutet.

Das Land steht vor einer Zerreißprobe. Wer bisher bei dem Wort Impeachment gegähnt und über den parteipolitischen Eifer von Politikern den Kopf geschüttelt hatte, der wacht jetzt mit einem Schreck auf. Die phasenweise Verwirklichung des Impeachments liegt zum einen an den Regularien des Verfahrens, das viele kleine Schritte kennt, und kommt zum anderen den Medien entgegen, die die Geschichte am Kochen halten müssen. Jeder Teilschritt auf diesem Instanzenweg, jeder sensationelle Höhepunkt aber hat das Zeug zu einer politischen Umwälzung. Und mit jeder Entscheidung für ein Impeachment wird eine weitere Brücke abgerissen, wird die Verteidigungslinie Clintons ein Stück näher ans Weiße Haus verlegt. Es ist noch immer nicht ausgemacht, daß Clinton tatsächlich aus dem Amt entfernt werden kann, unmöglich aber ist es nicht mehr.

Es hat symbolische Bedeutung, daß zeitgleich mit den live übertragenen zweitägigen Anhörungen vor dem Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses zwei andere Tagungen stattfanden. Vom Weißen Haus organisiert, berieten Experten und Politiker über die Rettung des amerikanischen Rentensystems, das ab dem Jahre 2012 mehr auszahlen als einnehmen wird. Es gibt eine einmalige historische Chance, den für 2030 vorausgesagten Bankrott des Sozialversicherungssystems zu verhindern. Amerikas Wirtschaft boomt, der Fiskus macht Überschüsse, Parlament und Regierung sind in Händen je unterschiedlicher Parteien, so daß die Verantwortung für schwierige Entscheidungen geteilt werden kann. Wird Clinton aber abgesetzt, dürfte diese Chance vertan sein.

In einem Nebengebäude des Kongresses berieten diese Woche liberale und religiös-konservative Gruppen darüber, wie der zur Zeit in Amerika tobende Kulturkampf so geführt werden kann, daß die zivile Gesellschaft keinen Schaden nimmt. Die Konferenz war ein erster Versuch, hieß es. Mit dem Sieg der Gegner Clintons dürfte auch dieses Projekt gescheitert sein. Peter Tautfest