Kampf in der Front National

Bei Frankreichs Rechtsextremen tobt ein Hauen und Stechen um den Vorsitz. Auf der einen Seite steht Jean-Marie Le Pen, auf der anderen sein Vize Bruno Mégret  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Bei der Front National herrscht offener Krieg. Die beiden Häuptlinge der rechtsextremen Bewegung, ihr Gründer und Chef Jean- Marie Le Pen (70) und der bisherige Vize Bruno Mégret, kämpfen vor laufenden Fernsehkameras um die Macht und um die Spitzenkandidatur bei den Wahlen zum Europaparlament. Die Parteibasis ist zwischen den beiden Männern gespalten.

Mégret, der mit Hilfe seiner Gattin Catherine als Strohfrau bereits das Rathaus der südfranzösischen Kleinstadt Vitrolles und damit eine eigene Bastion erkämpft hat und im Prinzip designierter Kandidat für die Rathauswahlen in der Großstadt Marseille ist, will jetzt die ganze Partei. Er verlangt einen außerordentlichen Parteitag im Januar, auf dem die Basis entscheiden soll.

Kaum hatte Mégret seine Absicht erklärt, beschimpfte Le Pen, dessen Nahziele die Europawahlen und die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2002 sind, Mégret als „Rechtsextremen“ und „Rassisten“, warf ihm „Putschismus“ und „Verstöße gegen die Legalität der Front“ vor und legte ihm nahe, eine eigene Liste außerhalb der Front National aufzustellen, „wie es seine Freunde im Elysee-Palast wünschen“. Le Pen entließ nicht nur Mégret von seinem Posten als „Nationaler Delegierter“, sondern erteilte auch dessen MitarbeiterInnen Hausverbot in der Parteizentrale in St. Cloud bei Paris.

„Monsieur Mégret will meinen Platz“, erklärte Le Pen gestern wutschnaubend in einem der zahlreichen Interviews, die er gegenwärtig täglich gibt, „aber die Partei hat mich gewählt. Monsieur Mégret wird noch ein paar Jahre warten müssen!“ In demselben Interview lieferte der Chef „Informationen“ über „anonyme Briefkampagnen“, über „falsche Faxe“ und andere „subersive Techniken“, die Mégret parteiintern seit langem einsetze. Erst in zwei Jahren will er Mégret beim nächsten ordentlichen Parteikongreß eine Chance geben, um seine Nachfolge zu kandidieren.

Die Öffentlichkeit nimmt den offenen Häuptlingsstreit, der zuvor jahrelang schmorte, mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Manche BeobachterInnen sagen bereits das Ende oder zumindest die Spaltung der Bewegung voraus, die bei den letzten Urnengängen landesweit bis zu 15 Prozent der Stimmen bekam, die über Hunderte von gewählten PolitikerInnen in allen Parlamenten außer der Nationalversammlung und dem Senat hat und die in vier französischen Regionen konservative Präsidenten an die Macht hievte. Andere Zaungäste hingegen wittern, genau wie der bedrängte Rechtsextremenchef Le Pen, einen Komplott, an dem auch PolitikerInnen außerhalb der rechtsextremen Partei beteiligt und interessiert sein könnten.

Dafür spricht manches. Mégret war zwar wegen Überschreitung seines Wahlkampfetats in Vitrolles vorübergehend das passive Wahlrecht entzogen worden (weswegen er bei der Neuwahl seine Gattin Catherine vorschob), hat sich aber bislang keine Verurteilungen wegen Antisemitismus und Gewalt eingehandelt. Er gilt als „moderner Rechtsextremer“, als derjenige also, der die Front National aus dem Ruch der Kollaborations- und Nazinähe herausholen und damit salonfähiger machen könnte.

Tatsächlich meinen viele französischen Konservative, daß mit Mégret an der Spitze der Front National eher eine Zusammenarbeit möglich wäre als mit Le Pen. Der Parteigründer gilt weiterhin als unverdaulicher Brocken und tut alles Nötige, um seinen Ruf zu bestätigen. Zuletzt trug er dazu in München bei, als er bei der Vorstellung eines Buchs von Franz Schönhuber seine alte negationistische These von „Auschwitz als Detail der Geschichte“ wiederholte. Wegen jener Erklärung hat das Europaparlament seine Immunität aufgehoben, in Deutschland laufen Ermittlungen gegen ihn. Kurz zuvor war Le Pen eine sozialistische Politikerin in einer Kleinstadt bei Paris im Wahlkampf tätlich angegangen. Deswegen ist er inzwischen in Frankreich rechtskräftig verurteilt worden.

Die Parteibasis, die seit einigen Tagen mit zwei Spitzenmännern konfrontiert ist, hat sich bislang noch nicht entschieden. Einzelne Regionalverbände (darunter das Limousin und die Auvergne) stehen traditionell hinter Mégret, andere (wie die Île de France und Midi-Pyrenées) sind gespalten, und im Süden Frankreichs (Provence- Alpes-Cote d'Azur), wo die Zahl der aus Algerien „vertriebenen“ und extrem rechtslastigen Franzosen hoch und die Wahlerfolge der Front National legendär sind, genießt Le Pen weiterhin ziemlich ungebrochene Unterstützung.