■ Der iranische Regimekritiker Mohammad Mohtari ist tot
: Gefangene werden nicht gemacht

Es gehört viel Chuzpe dazu, die Leiche eines ermordeten politischen Gegners ausgerechnet einen Tag vor dem 50. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte auftauchen zu lassen. Wer dies tut, hat entweder keine Ahnung vom Weltgeschehen, oder er will demonstrieren, daß ihm internationale Reaktionen egal sind. Die Umstände von Mohammad Mohtaris und seiner Kollegen Tod sprechen für letzteres.

Unter Kritikern der Islamischen Republik herrscht Angst wie selten zuvor. Wurden bisher Regimegegner wie der Schriftsteller Faradsch Sarkuhi noch monatelang als potentielle Verhandlungsmasse inhaftiert, lautet jetzt die Devise: Gefangene werden nicht gemacht. Doch wer steckt hinter den Morden? Sind es Gegner des als Hoffnungsträger der Intellektuellen angetretenen Präsidenten Mohammad Chatami, oder sind die Toten Opfer des Systems „Islamische Republik Iran“, wie es Langzeitexilanten behaupten?

Chatami wurde gewählt, weil er der Bevölkerung Erleichterungen versprach. Tatsächlich geht es politisch nicht engagierten IranerInnen heute ein wenig besser. Die Bekleidungsvorschriften werden nicht mehr so streng kontrolliert, westliche Videos, Musik und Satellitenempfangsanlagen sind immer noch illegal, werden aber weitgehend toleriert. Schriftsteller, die sich dem System nicht bedingungslos unterwerfen, riskieren allerdings weiterhin ihr Leben. Die Zahl der Hinrichtungen politisch Andersdenkender hat seit Chatamis Wahl nicht abgenommen.

Irans Präsident ist aufgefordert, seine Versprechungen auch gegenüber diesen Bürgern einzulösen. Er muß beweisen, daß er nicht nur Deckmäntelchen eines von Regimegegnern als nicht reformierbar gescholtenen Systems ist, sondern Motor der Reform. Er muß nachweisen, daß ein islamisch genanntes Staatssystem in der Lage ist, eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Menschliches Leben hat im Iran als genauso unantastbar zu gelten wie an jedem anderen Ort der Erde. Sollte Chatami dies nicht tun, wäre der Iran der Theokraten endgültig einzuordnen in die Gemeinschaft der Diktaturen dieser Welt. Scheitert Chatami, die Demokratien müßten Irans Führung exakt so behandeln wie andere Despoten auch.

Für diesen Fall existieren Druckmittel zur Genüge. Vor wenigen Tagen gab der Zentralbankchef des durch den sinkenden Ölpreis gebeutelten Iran bekannt, Deutschland habe neue Hermes-Kredite für das Land genehmigt. Auch der Iran ist nicht wirtschaftlich autark. Niemand sollte Skrupel haben, diesen Umstand gegenüber Teheran einzusetzen – schon gar nicht eine rot-grüne Bundesregierung. Thomas Dreger