Italien will den Doppelpaß

■ Ungeachtet des Wutgeheuls der Rechten sollen alle Immigranten bleiben dürfen – unter bestimmten Bedingungen

Rom (taz) – Trotz scharfer Proteste gegen die Gesetzesverordnung, wonach neben den jährlich etwa 38.000 Einwanderern auch der Aufenthaltsstatus 200.000 weiterer Personen legalisiert wird, die bis Ende 1998 einen Antrag gestellt haben, will die Mitte-links- Regierung unter Ministerpräsident Massimo D'Alema ihr Vorhaben durchsetzen.

Doch Voraussetzung für die Aushändigung einer vorläufigen, beschränkten Aufenthaltsgenehmigung ist, daß der oder die Betreffende Arbeit sowie einen festen Wohnsitz nachweisen kann, vor Inkrafttreten des neuen Einwanderungsgesetzes nach Italien gekommen ist und keinen Eintrag im Strafregister hat. Nach Angaben des Innenministeriums sind jedoch beileibe nicht alle der Antragsteller mit diesen Requisiten ausgestattet.

Im Laufe des Jahres 1998 wurden bereits über 50.000 Menschen als unerwünscht abgeschoben – ein Vielfaches der Vorjahre. Trotzdem spricht die Rechtsopposition von einer „Amnestie durch die Hintertür für Illegale“, die „einen neuen Massenansturm von außerhalb der EU provozieren und Italien mit Immigranten überschwemmen wird“. Gianfranco Fini, Parteichef der neofaschistischen Nationalen Allianz, meinte entrüstet: „Damit wird die Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht sogar der Rassismus geschürt.“ Die Rechtsopposition kündigte für die nächsten Tage eine Offensive gegen das Dekret an.

Auch die Vorgänge im Falle des mit falschem Paß nach Italien eingereisten Kurdenführers Abdullah Öcalan sollen dabei behandelt werden. Das „Ministergericht“, ein ausschließlich für Regierungsmitglieder berufenes Tribunal, hat in diesem Zusammenhang ein Verfahren gegen Justizminister Diliberti eingeleitet und treibt es trotz eines staatsanwaltschaftlichen Antrags auf Einstellung weiter voran.

Einmal dabei, scheint die Regierung jedoch auf dem Weg der Ausländerintegration weitergehen zu wollen: Nun hat Innenministerin Russo Jervolino, die der inzwischen aufgelösten christdemokratischen Partei angehörte, jetzt der Volkspartei, das Problem der doppelten Staatsbürgerschaft aufgeworfen. Sie hat einen Gesetzentwurf angekündigt, wonach in Italien geborene Kinder von Ausländern künftig auf Antrag die Wahl haben werden, entweder nur die italienische Nationalität anzunehmen oder eine Doppelstaatsbürgerschaft zu erhalten.

In Italien ist der Doppelpaß bereits möglich, wenn die Kinder aus gemischt-italienisch-ausländischen Ehen stammen. Einen italienischen Personalausweis kann auch erhalten, wer Bürger eines EU-Landes ist.

Daß gegen all diese Maßnahmen auch seitens anderer EU-Länder Vorbehalte laut werden, nehmen die Italiener hin: „Wäre doch absurd“, sagt Innenministerin Jervolino, „wenn Menschen, die ihr ganzes Leben in Italien verbracht haben, nicht als Italiener betrachtet würden.“ Werner Raith

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