Gerechter sterben

Terrence Malick versucht sich mit „The Thin Red Line“ an einem Gegenmodell zu „Saving Private Ryan“  ■ Von Thomas Klein

Krieg ist die Hölle. Kriegsfilme sind die Vorhölle. Auch wenn sie sich absichtsvoll „Anti-Kriegs-Film“ nennen. Denn entweder läßt sich der objektive Schrecken in einer Spielfilmhandlung erfahrbar machen; dann würde eine Handvoll reichen, von „Im Westen nichts Neues“ über Kubricks „Wege zum Ruhm“ bis zu „Apocalypse Now“. Oder aber das wahre Grauen läßt sich gar nicht einfangen und abbilden – in dem Fall bekämen die Kriegsspielereien auf der Leinwand einen widerwärtigen, marktschreierischen Beigeschmack.

Terrence Malick, legendärer Regisseur von „Badlands“ (1973) und „Days Of Heaven“ (1978), versucht sich trotzdem am fragwürdigen Genre und Sujet. Im direkten Fahrwasser von „Der Soldat James Ryan“ erzählt auch Malick vom Zweiten Weltkrieg, doch sein Film ist die direkte Antithese von Spielberg. Denn auf Pathos, Männerbündelei und „realistischen“ Schlachtereien verzichtet Malick; tatsächlich spielt er mit allen gängigen Kriegsfilmklischees. Auch das vom „gerechten“ Zweiten Weltkrieg: Gerechter oder ungerechter Krieg, sterben läßt es sich in keinem gut.

Basierend auf James Jones' quasibiographischem Roman folgt Malick in „The Thin Red Line“ einer Handvoll US-Soldaten, die 1942 auf der Pazifikinsel Guadalcanal abgesetzt werden, um die Japaner von der kriegswichtigen Position zu vertreiben. Die G.I.s sind Mitglieder einer Straf- oder „Bewährungseinheit“. Wenn ein Brigadegeneral (John Cusack) seinem untergeordneten Berufsoffizier (Nick Nolte) pathetisch erklärt, höhere Offiziere seien Politiker, und man brauche deshalb „Leute wie ihn“, ist klar, daß man das dreckige Handwerk des Krieges gern an die niederen Ränge abgibt.

Treffend zusammengefaßt von einem Soldaten im Bauch des Truppentransporters: „Charlie Company is always getting screwed!“ Wenn die Soldaten wenig später in ihren Landungsbooten zum Strand von Guadalcanal fahren und sich ihre Angst auf den Zuschauer überträgt, beweist Malick was ihn von Spielberg unterscheidet: Bei ihm passiert erst mal nichts: Jedenfalls kein Artilleriebeschuß, kein Protzen mit Special effects. Das Warten im Krieg ist unmenschlich und belastend genug.

Wenn sich die Soldaten durch das malerische Insel-Grün vorarbeiten und es am „Hügel 210“ zum Gefecht kommt, zeigt der Film seine vielleicht eindrucksvollste Sequenz. Getarnt mähen die Japaner die vorrückenden Amerikaner nieder, die getroffen im schulterhohen Gras verschwinden. Hier funktioniert die Anonymität des Gegners. Anders als bei Oliver Stone, dem die Vietcong immer wieder zur gesichtslosen Untermenschen-Masse geraten, sind sie bei Malick nur ein weiterer Bestandteil der Kriegsmaschine, in die die Soldaten geworfen werden. Heldentum sucht man hier vergeblich, Mut gibt es höchstens in Gestalt eines Offiziers (Elias Koteas), der sich weigert, seine Leute weiter in das Gefecht und auf die Schlachtbank zu schicken.

Soweit funktioniert „The Thin Red Line“. Die inneren Monologe und kargen Gespräche der Soldaten zeigen, wie ein jeder mit der Erfahrung „Krieg“ umgeht. Die Protagonisten bleiben, mit Ausnahme der eingestreuten Hollywood-Prominenz, austauschbar, und das ist gut.

Dennoch steht sich der Regisseur selbst im Weg, weil er nicht nur die Schlacht um die Insel zu Ende führen will — die halbverdursteten G.I.s stürmen letztlich die japanischen Stellungen und finden dort nur ebenso ausgezehrte Japaner vor; ein vielleicht kriegswichtiger, aber in jeder Hinsicht dehumanisierender Einsatz endet vorläufig mit Bier und gewalttätigen Übergriffen auf Kriegsgefangene. Doch Malick genügt es nicht, Krieg kühl und distanziert als ausgespielte Grausamkeit zwischen Menschen zu zeigen.

Es geht ihm auch um eine ästhetische Auseinandersetzung. Wie können die Schönheit unberührter Natur und der Schrecken des Krieges nebeneinander existieren, fragt sich zum Beginn des Films ein junger Soldat (Jim Caviezel), der ins Idyll einer Gruppe Insulaner desertierte. Die Fragestellung ist angemessen, aber Malick verrutschen später immer wieder Drehbuch und Kamera. Als genüge es nicht, kraftvolle Bilder zu zeigen, unterlegt Malick seinen Film mit visuellen Mißtönen. Zwischenschnitte auf blutbespritzte oder durchlöcherte Blätter drohen zwischendurch ganze Szenen zu ruinieren. Auch die Erinnerungen eines G.I.s (Ben Chaplin) an seine Frau wirken überzogen.

Bemerkenswert ist, wie „Thin Red Line“ zugunsten von Vielschichtigkeit und Amivalenzen auf Wertungen verzichtet. Bedauerlich, daß sich Malicks Film nicht zu dem Meisterwerk mit dem eigenwilligen, fast träumerischen Tonfall fügen will, der immer wieder zu sehen und zu hören ist. „Kriegsfilm“ oder ein Film über Menschen im Krieg? Kein leichtes Unterfangen.

„The Thin Red Line“, USA 1998, Regie: Terrence Malick, mit Elias Koteas, Jim Caviezel, Nick Nolte, Ben Chaplin, Sean Penn, John Cusack u.a.

Heute 20 Uhr Zoopalast; 13.2. 12 Uhr Royalpalast, 18.30 Uhr Urania,