Ein bißchen wütend

■ „Lágrimas negras“ von Ricardo Franco und Fernando Bauluz

Andrés ist, was man in Spanien einen „pijo“ nennt: Sproß reicher Eltern, ohne Sorge um das, was die Zukunft bringen wird, bar jeden Kontaktes zu den düsteren Seiten des Lebens. Er hat eine Arbeit in der Filmbranche, eine hübsche Freundin, eine hübsche Wohnung, und wenn ihn überhaupt ein Problem plagt, dann daß niemand sich so recht für seine Landschaftsfotografie interessiert. Als Alicia, seine Freundin (Elena Anaya), ihm einmal sagt, daß der Zeitgeist nach realistischeren Motiven verlange, wird Andrés (Fele Martinez) ein bißchen wütend: Seine Art zu fotografieren erfordere Können, während die übrigen in Wirklichkeit nichts anderes als Stümper seien.

Erst als Andrés Bekanntschaft mit der geheimnisvollen, psychisch labilen Isabel (Ariadna Gil) macht, beginnt er, neue Motive zu suchen. Anstelle von Wasserfällen und Waldlichtungen hält er seine Kamera jetzt auf junge Stricherinnen und anderes Elend. Aber da ist es für „Lágrimas negras“ („Schwarze Tränen“) schon zu spät.

Denn der Film ist wie eine Fortsetzung von Andrés' Fotografie: Obwohl es um Abgründe geht, bleibt die Geschichte so glatt und aufgeräumt wie das Gesicht des Protagonisten oder dessen Landschaftsaufnahmen. Wo Isabel am Rande des Wahns dargestellt werden soll, ist sie in feine Kleider aus noch feinerem Tuch gehüllt: Die junge Irre ginge gut als Model durch. Und wo der Film Armut und Verkommenheit zeigen will, stapelt er ein paar recht gebrauchstüchtig wirkende Waschmaschinen zu einer pittoresk ausschauenden Mauer: Fertig ist die Slumsiedlung am Rande Madrids — wie sie sich einer vorstellt, der normalerweise Waldlichtungen fotografiert.

Da hilft es wenig, wenn zum Finale das Meer wütet und der Wind bedrohlich pfeift. Am Strand, dem Schauplatz für den Gipfelpunkt des Melodrams, steht Andrés' Mittelklassewagen, als sei er aus einer Fernsehwerbung auf die Leinwand gesprungen. Die Verzweiflung, die Wimperntusche-Tränen im Gesicht Isabels, der Griff zur Pistole — all dies ist reichlich unmotiviert. Nur einmal erreicht „Lágrimas negras“ die Intensität, nach der der Film sich so sehr sehnt: Ganz am Anfang, noch während der Vorspann läuft, sind wacklige Videoaufnahmen aus einer psychiatrischen Anstalt zu sehen — eine Kollegin von Andrés hat sie für eine Reportage gemacht. Der Film im Film zeigt Bilder rebellierender Menschen, zeigt die Reaktionen des Pflegepersonals und die Gurte, mit denen die Patienten an die Betten geschnallt werden. Beeindruckend, murmelt die Hauptfigur, aber sicherlich nicht sendefähig — schließlich wolle das Publikum, mit den eigenen Problemen zur Genüge beschäftigt, nicht mit solchen Bildern konfrontiert werden. So kann man sich täuschen. Cristina Nord

Panorama: 12.2., 21.15 h (Royal Palast), 13.2., 15.30 h (Atelier am Zoo), 14.2., 17 h (International)