■ Gehör für den Willen des Volkes

„Alle an die Urnen“, titelte gestern das algerische ehemalige Staatsorgan El Moudjahid und brachte damit auf einen kurzen Nenner, was Präsident Liamine Zeroual am Vorabend in einer 15-minütigen Fernsehansprache seinem Volk ans Herzen legte. Damit wird Algerien heute nach Bekanntgabe der Ergebnisse einen neuen Präsidenten haben. Sein Name steht schon jetzt fest: Abdelaziz Bouteflika, der Kandidat der Macht. Was als pluralistische Präsidentschaftswahl angesetzt war, verkommt so zum Plebiszit alten Stiles.

Mit der Entscheidung hat Zeroual der gesamten Opposition von Sozialisten bis zu Islamisten, von Erneuerern aus der ehemaligen Einheitspartei FLN bis zum Minderheitsflügel der stärksten Partei des Landes, der Nationalen Demokratischen Sammlung (RND) eine Kraftprobe mit Staat und Armee aufgedrängt, wie sie das Land noch nicht gesehen hat. „Es geht darum, dem Willen des Volkes endlich Gehör zu verschaffen“, hatte einer der sechs FLN-Reformer, Mouloud Hamrouche, vor dem Rücktritt erklärt. Die Initiative soll jetzt der Straße gehören. Heute nach dem Freitagsgebet sind die Menschen überall im Land zu Demonstrationen zur „Verteidigung der Demokratie“ aufgerufen. Laut den sechs Ex-Kandidaten „ein Schritt in Richtung Staatsbürgerschaft“. rw