Schröder landet Treffer

■ Das Thema „Modernisierung der Sozial-demokratie“ ist in Berlin ein heißes Eisen

Der „Weg nach vorn für Europas Sozialdemokratie“, wie ihn Bundeskanzler Gerhard Schröder dekliniert, landet in der Hauptstadt auf heißem Pflaster. Die von Schröder anvisierte Modernisierung sozialdemokratischer Politik unter wirtschaftsfreundlichen Vorzeichen ist in Berlin vier Monate vor den Parlamentswahlen ohnehin Hauptstreitpunkt zwischen Führung und Parteilinken.

Die SpitzengenossInnen – allen voran SPD-Spitzenkandidat Walter Momper – freuen sich nun über die Vorlage. Modernisierung ist das Motto, mit dem Momper seinen Wahlkampf führt, und Modernisierung heißt hier Privatisierung, Verschlankung und Wirtschaftsförderung. Deshalb wird Momper heute auch eine Abschlußveranstaltung zum Europawahlkampf nutzen, um das Schröder/Blair-Papier zu würdigen.

Weniger enthusiastisch zeigt sich die Parteilinke. Gemeinsam mit Momper wird heute einer ihrer Sprecher, Klaus-Uwe Benneter, eine erste Stellungnahme zu dem Papier abgeben. Er nannte den Ansatz gestern „den vernünftigen Willen, die Sozialdemokratie der Wirklichkeit anzupassen“. Er wolle das Papier nutzen, eine kritische Diskussion innerhalb der Linken zu organisieren. „Aber ich sehe das nicht so hektisch wie andere“, fügte er hinzu. Benneter gilt als Schröder-Freund, seine Position unterscheidet sich deutlich von anderen Linken. Auch Ingeborg Junge-Reyer, Parteilinke im Landesvorstand, plädiert dafür, die Modernisierungsdiskussion zu führen. Nach einer ersten Lektüre des gestern in der Hauptstadt angekommenen Papiers beurteilte sie es aber als sehr dürftige Grundlage für eine Diskussion. „Vieles ist so richtig wie allgemein“, so Junge-Reyer. Lösungsansätze seien nur bei ganz wenigen Fragen zu finden, viele Teile seien dagegen „nicht ganz ideologiefrei“. Statt regelmäßig den Umbau des Staates zu fordern, solle sich die Sozialdemokratie besser an die Effektivierung der staatlichen Elemente machen.

Der Kreisvorsitzende von Kreuzberg, Andreas Matthae, spricht sich ebenfalls dafür aus, zu debattieren. Matthae nennt Schröders Ansatz jedoch einen „Holzweg“. Die Thesen griffen zu kurz, der Rückzug des Staates im Schröderschen Sinne reduziere die Regierungspolitik der SPD auf eine bloße Moderation von Konflikten. In der Hauptstadt ließe sich das bereits exemplarisch an der Privatisierung von Versorgungsunternehmen oder Wohnungsgesellschaften beobachten.

Im Zusammenhang mit der zugleich von Schröder angemahnten Reform der Parteistrukturen sieht Matthae einen internen Machtkampf, den Schröder austrage: „Eine Entmachtung der kritischen Parteigliederungen und der erwartete Versuch Schröders, bei der inhaltlichen Ausrichtung der Partei die Oberhand zu gewinnen.“

Barbara Junge