Keine Gnade für Ost-Industrie

Die Gröditzer Stahlwerke müssen Millionensubventionen zurückzahlen, weil sie gegen das EU-Beihilferecht verstoßen haben. Jetzt kommt der Konkurs  ■   Von Beate Willms

Berlin (taz) – „Jaa, was das bedeutet, mhmhm“, Hubert Borns druckst herum, sagt was von „erst mal die Begründung aus Brüssel abwarten“ und natürlich „weiter produzieren“. Bis es dem Arbeitsdirektor der Gröditzer Stahlwerke (GSW) doch herausrutscht: „Insolvenz heißt das. Wir müssen Konkurs anmelden.“ Knapp 345 Millionen Mark Subventionen hatte der Bund zwischen 1991 und 1997 in das sächsische Unternehmen gesteckt, um es wettbewerbsfähig zu machen und zugleich möglichst viele der ursprünglich rund 5.000 Arbeitsplätze zu erhalten. 238,9 Millionen Mark davon waren illegal und müssen nun zurückgezahlt werden. Das hat die EU-Wettbewerbskommission am Donnerstag entschieden – auch wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die deutsche EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies bis zuletzt versucht hatten, die Mitglieder dazu zu bringen, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Hunderte Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel – in Ostdeutschland.

Das Hauptargument von Wettbewerbskommissar Karel van Miert dagegen: Nach dem Beihilferecht der EU dürfen in Stahlunternehmen nur beschäftigungssichernde und soziale Maßnahmen subventioniert werden, nicht jedoch Investitionen oder sogenannte betriebliche Belange. In diesem Sinne seien aber nur 61 Millionen Mark verwendet worden, weitere rund 45 Millionen Mark könnten als Beihilfen für die Betriebsteile gesehen werden, die nichts mit der Stahlproduktion zu tun haben und deswegen nicht den strengen Regeln unterworfen sind.

Laut Kommissionsbericht hatten die Treuhand und ihre Nachfolgerin BvS die Beihilfen ursprünglich gar nicht in Brüssel angemeldet. Und die GSW-Manager hatten mit dem Geld fast die gesamten Investitionen und laufende Kosten bezahlt. Der Erfolg: Inzwischen machen die GSW rund 160 Millionen Mark Umsatz. Ende letzten Jahres, so Borns, habe man „sogar die Gewinnzone berührt“. Weniger positiv ausgedrückt – so wie van Miert das tun würde – heißt das aber auch: Bislang gibt es noch keinen Gewinn. Im Gegenteil: Die Verluste summieren sich auf 300 Millionen Mark.

Aber immerhin sind die Stahlwerke, die sich immer noch im Besitz der BvS befinden, einer der größte Arbeitgeber in der Region nördlich von Riesa. Und ein Investor steht parat: Die Hamburger Georgsmarienhütte (GMH) hatte die GSW, zu denen neben dem eigentlichen Stahlwerk und der Edelstahl Gröditz GmbH auch das Walzwerk Burg bei Magdeburg gehören, 1997 schon einmal übernommen. Allerdings mit einer vertraglichen Klausel, das Unternehmen zurückgeben zu dürfen, falls es Ärger mit den Subventionen gebe. Vor zwei Wochen hat sie von diesem Recht Gebrauch gemacht, führt die Geschäfte aber vorläufig weiter. „Wenn die GSW beim Konkurs nicht zerschlagen werden, dürfte GMH weiterhin interessiert sein“, so Borns.

Gegenüber einem anderen ostdeutschen Unternehmen zeigte sich die Wettbewerbskommission bei der gleichen Sitzung übrigens kein bißchen gnädiger: Auch die Kvaerner Werft in Rostock-Warnemünde muß Beihilfen zurückzahlen – 83 Millionen Mark. Hier hatte die Geschäftsführung mehr Schiffe bauen lassen, als die Brüsseler erlaubt hatten.