Freundliche Sprechchöre für einen Verfemten

■ Mit einem Hattrick gegen Nordirland krönt der eigentlich schon abgeschriebene Fußballprofi Christian Ziege vom englischen Erstligisten FC Middlesbrough sein Comeback im Nationalteam

Dortmund (taz) – „Das war erst vor kurzem in Italien“, erinnert sich Christian Ziege, als er gefragt wird, wann das Publikum in einem Stadion zuletzt Sprechchöre mit seinem Namen skandiert habe. Dann grinst er und fügt hinzu: „Aber eher negativ.“ In Mailand erlebte der 27-Jährige den Meisterschaftsgewinn seines AC von der Tribüne aus mit, und wenn er mal auf den Rasen durfte, waren die Tifosi schnell mit ihrem „Ziege, fuori“ zur Stelle. „Ziege raus“ hatte es zudem bei der letzten WM geheißen, als der ehemalige Bayern-Akteur sein spielerisches Tief auch in der Nationalmannschaft spazieren trug. „Zwei nicht so tolle Jahre in Italien, eine für mich beschissene WM, ein Jahr Pause im Nationalteam“, resümiert Christian Ziege die ruhmlose jüngere Vergangenheit.

Umso erstaunlicher sein Auftritt beim 4:0 gegen die Nordiren an jenem Mittwoch dieser Woche, den er als „einen der schönsten Tage in meiner Karriere“ einstuft. Nicht genug damit, dass er Bierhoffs 1:0 vorbereitete, nachdem ihn Mehmet Scholl kurz zuvor noch des Freistoßes verwiesen hatte, und dass er danach einen veritablen Hattrick erzielte. Ziege war es auch, der im deutschen Angriffsspiel immer wieder geschickte Pässe spielte, sich frei lief und im direkten Duell gegen seine Gegenspieler durchzusetzen wusste. In einer solchen Form ist er, ebenso wie sein Pendant auf der anderen Seite, der schnelle Oliver Neuville, in der Lage, dem deutschen Spiel eine neue Dimension und lange vermisste Überraschungseffekte zu verleihen.

„Es ist, als sei er nie weg gewesen“, lobte Teamchef Erich Ribbeck den „Mann des Tages“ (Bierhoff), Ziege gab das Lob brav zurück. Zwei Trainern habe er viel zu verdanken, Ribbeck und Bryan Robson. „Du bist einer der drei Besten auf der linken Seite“, habe ihm sein neuer Coach beim FC Middlesbrough gesagt und hinzugefügt. „Ich bringe dich zurück in die Nationalmannschaft.“ Solchen Zuspruch braucht der Mittelfeldspieler, dem allenthalben „große Sensibilität“ bescheinigt wird – für Profifußballer gemeinhin keine förderliche Eigenschaft.

Beim mittelmäßigen Erstligisten in Englands Nordosten, zu dem er für 14 Millionen Mark Ablöse kam, blühte Ziege an der Seite von Paul Gascoigne wieder auf, der Daily Telegraph bezeichnete ihn sogar schon als „besten Import des Sommers“. Die Folge war der Anruf von Ribbeck, dem Ziege hoch anrechnet, dass er „mit mir geredet hat, als niemand mit mir geredet hat“. Der Teamchef gibt zwar zu, dass er damals eigentlich wegen Oliver Bierhoff in Mailand war, aber die Gelegenheit, sich auch in Sachen Spielerbetreuung von seinem Vorgänger Vogts abzuheben, lässt er sich nicht entgehen: „Er hat gespürt, dass ihm hier Vertrauen entgegen gebracht wird.“ Matti