Auf Augenhöhe
: Sandwich international

■ Von Gereon Asmuth

Nennen wir ihn der Einfachheit halber Abdullah, wer fragt schon seinen Local Kebab-Dealer nach dem Namen. Abdullah besitzt einen dieser Allerwelts-Imbisse, kleine Theke, ein paar Stühle in weiß gekacheltem Raum. Hier gibt es Döner vom Spieß, Börek, türkische Pizza, Pommes, Bier.

Während der Wartezeit verwickelt Abdullah seine Kundschaft in ein Gespräch. Abdullah redet gerne – auch auf Deutsch. Denn dazu kommt der Kurde kaum noch, seit er vor 15 Jahren ausgewandert ist – von Berlin nach Paris. Sechs Jahre lebte er in der Mauerstadt, bevor er wegen „Papierproblemen“ Hals über Kopf Deutschland verlassen musste. In Frankreich war alles viel einfacher: „Sechs Monate, und ich hatte Arbeit, Wohnung und Papiere. In Deutschland hatte ich Wohnung, Arbeit, keine Papiere.“

Abdullah arbeitete in einer Druckerei, bis er entlassen wurde. Seit drei Jahren nun führt er seinen kleinen Imbiss im Stadtteil Belleville. „Viel Arbeit“, stöhnt er lachend, „aber muss sein.“ Um zehn Uhr morgens macht er den Laden auf, um zwei in der Nacht wieder zu, sieben Tage die Woche. Das war in Berlin kaum anders, beruhigt er sich. Nur die Döner, bei den Franzosen heißen die „sandwich turc“, seien hier besser. In Berlin kämen die Fleischsspieße fast nur noch aus großen Fabriken, er dagegen mache sie von Hand, betont er. Und Böreks oder Pizzen kommen nicht in die Mikrowelle, sondern auf den Grill.

Nur Urlaub, bedauert Abdullah, könne er kaum noch nehmen. In die Türkei könne er zwar eh nicht reisen – „die Politik“, sagt der Kurde nur –, aber in seine zweite Heimat würde er schon gern noch mal. Auf dem kleinen Fernsehbildschirm über den Imbisstischen läuft das Video der Berliner Bauchtanzmeisterschaften von 1989. Aber Abdullah hätte gern frischere Infos. Ob die Mauer vollkommen weg sei. Und ob die U-Bahn auch in Ostberlin an jedem Bahnhof halte. Und wie das nun überhaupt sei mit Ost- und Westberlin. Ob jetzt im Osten viele Ausländer wohnen würden. Und ob das nicht gefährlich für sie sei. Und ob der grüne Abgeordnete Ismail Kosan – „das ist ein Kumpel von mir“ – noch Politiker sei. Und ob es tatsächlich die doppelte Staatsbürgerschaft gebe.

Der Rückzieher der Bundesregierung enttäuscht ihn dann. „Die Deutschen“, meint Abdullah, „wissen gar nicht, was sie an den Türken haben.“ Er sei ja nicht ausländerfeindlich, darauf legt der Kurde wert, aber man sollte nur mal einen Tag, ach, nur mal eine Stunde die dreieinhalb Millionen Türken in Deutschland gegen die dreieinhalb Millionen Araber in Frankreich austauschen, dann würden die Deutschen mit Händen nach den Türken ringen.

Zum Abschied serviert der Kurde noch eine kleine Köstlichkeit, ein Weichgummi mit Sesam. Schmeckt gut, und Abdullah bedankt sich höflich lächelnd für das Lob der deutschen Gäste: „Das hab ich gegenüber gekauft. Beim Chinesen.“