Ein leerer Stuhl für die Menschenrechte

Heute beginnt in Südafrika ein Gipfeltreffen der Commonwealth-Länder, bei dem Pakistan draußen bleibt. Eine breitere Debatte über Menschenrechte verhindert aber das Gastgeberland  ■   Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Wenn sich ab heute die Staats- und Regierungschefs des Commonwealth in der südafrikanischen Hafenstadt Durban zu ihrem turnusmäßigen Gipfel versammeln, wird einer der 54 Plätze leer bleiben: der von Pakistan. Die Mitgliedschaft des Landes wurde nach dem Militärputsch im Oktober suspendiert. Harte Beschlüsse gegen die neue Regierung von General Pervez Musharaf sind allerdings nicht zu erwarten, denn unter vielen Commonwealth-Mitgliedern herrscht Sympathie für die neuen Machthaber. Selbst der britische Außenminister Robin Cook vertrat bisher eine gemäßigte Linie und setzt auf Dialog.

Wie mit Pakistan weiter verfahren werden soll, wird dennoch einer der Schwerpunkte auf dem diesjährigen Treffen sein, das zum ersten Mal in Südafrika stattfindet. Damit ist zugleich ein grundsätzliches Dilemma der Nachfolgeorganisation des britischen Empire berührt: Wie hält man es mit Demokratie und Menschenrechten?

Seit der Verabschiedung der so genannten Harare-Deklaration im Jahr 1991 werden schärfere Kriterien als früher für die Mitgliedschaft angelegt. Beim Gipfel in Neuseeland im Jahr 1995, als Nigeria wegen der Hinrichtung von neun Ogoni-Aktivisten während des laufenden Gipfels suspendiert wurde, entstand eine ministerielle Aktionsgruppe, die über Verstöße gegen Menschenrechte und Demokratie wachen soll.

Erst in diesem Jahr nimmt wieder eine Delegation aus Nigeria an dem Treffen teil. Wie der aus dem Amt scheidende Generalsekretär des Commonwealth, der Nigerianer Emeka Anyaoku, in der vergangenen Woche erklärte, habe der Staatenverbund auch weiterhin „einen grundsätzlichen Vorbehalt gegen jede Art von Militärherrschaft“. Und er kann immerhin darauf verweisen, dass neun Commonwealth-Staaten, die 1991 noch Militärregime waren, zwischenzeitlich den Übergang zur Demokratie vollzogen haben.

Den Fall der korrupten zivilen Regierung von Pakistan halten dennoch viele Commonwealth-Mitglieder für gerechtfertigt und verständlich, und Anyaoku nahm gestern in Durban bereits den zu erwartenden Beschluss vorweg: „Ich erwarte, dass es zu weiteren Gesprächen kommen wird“, sagte er vor der Presse. Sanktionen gegen Pakistan bezeichnete er ebenfalls als wenig wahrscheinlich. Erst müssten die Staatschefs einen Zeitraum festlegen, den sie Pakistan gewähren wollen, um zur Demokratie zurückzukehren.

Geht es nach dem Willen mehrerer prominenter nichtstaatlicher Organisationen, wird in Durban allerdings nicht nur von Militärregimen, sondern auch von generellen Verstößen gegen Demokratie und Menschenrechte die Rede sein. Für Zündstoff sorgt schon seit Tagen ein Vorschlag aus London, vier weitere Länder, die sich als demokratisch legitimiert betrachten, aus dem Staatenverband auszuschließen: Kenia, Simbabwe, Sambia und Sri Lanka.

Sie verstoßen nach Ansicht des Foreign Policy Centre, dessen Vorsitzender der britische Außenminister ist, so stark gegen demokratische Prinzipien, Menschenrechte und Pressefreiheit, dass sie sich nicht mehr für eine Mitgliedschaft qualifizieren, heißt es in einer Studie zur Reform des Commonwealth. Die Autoren empfehlen den Staatschefs, schärfere Kriterien für Demokratie zu formulieren und in Zukunft auch anzuwenden. „Das Treffen der Staatschefs darf nicht nur Gerede sein“, warnten sie bei der Vorstellung der Studie am Montag in London.

Auch andere nichtstaatliche Organisationen, die am vergangenen Wochenende in einem Vorbereitungstreffen in Durban tagten, kritisierten das Commonwealth wegen Inkonsequenz und Handlungsunfähigkeit. „Reporter ohne Grenzen“ warnte, dass 13 der 54 Mitgliedsstaaten eklatant gegen die Pressefreiheit verstoßen. Seit dem letzten Gipfel im schottischen Edinburgh vor zwei Jahren seien 21 Journalisten in Mitgliedsländern ums Leben gekommen, 260 seien festgenommen oder inhaftiert und 190 Opfer von Gewalt oder Folter geworden.

Interessanterweise sind es vor allem die südafrikanischen Gastgeber, selbst erst seit 1994 wieder im Commonwealth, die dem Treffen diesen Zündstoff nehmen wollen. Wie ein Regierungssprecher gestern versicherte, werde der Vorschlag des Foreign Policy Centre nicht auf die Tagesordnung kommen. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki will stattdessen Fragen der Armutsbekämpfung zum Schwerpunkt machen, was angesichts der Zusammensetzung des Commonwealth mit Sicherheit weniger strittig ist: die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder sind Entwicklungsländer.