Play und Execute

Kaltes Glas, gerupfte Hühner: Die Galerie Mönch zeigt Arbeiten des Schweizer Künstlers Franz Gratwohl  ■    Von Andreas Hergeth

In der Ecke über dem Fenster, am Ende eines kleinen Tunnels, zeigt ein Monitor einen Abfluss, sauber und leer. Plötzlich sprudelt Wasser von unten ins Becken. Buchstabennudeln werden hochgespült und wirbeln durchs Nass. Sie kommen zur Ruhe. Dann verschwinden sie schnell wieder im Ausguss, alles beginnt von vorne: Der „Gehörgang“ ist eine Video-Installation von Franz Gratwohl. Der Schweizer entwickelt seine Arbeiten prozesshaft, bezieht vorgefundene Gegenstände, Lebensspuren und bereits vorhandene Räume ein.

Gratwohls Spektrum reicht von Performances über Objekte und Fotografie-Collagen bis zur Computeranimation. In seiner ersten Berliner Einzelausstellung sind in der Galerie Mönch jetzt Arbeiten des Absolventen und mittlerweile Dozenten der Züricher Fachhochschule für Kunst und Neue Medien zu sehen. Die von „sic!projects“ und damit Michaela Nolte kuratierte Schau kreist um „haute couture“. Der Ausstellungstitel spielt mit dem Lifestyle-Gehabe der 90er-Jahre. Dessen Formen greift Gratwohl auf, indem er den Begriff ironisch überhöht und wörtlich nimmt: Naht, Schneider, Narbe, Schmiss.

Mittelpunkt ist die Medien-Skulptur „Das kalte Glas“. Gratwohl hat menschliche Haut in das Innere eines Monitors verpflanzt, ihn sozusagen von innen her ausgehöhlt und damit den „Raum im Raum und die Realität der Fernsehrealität“ neu besetzt. Die enthaarte Haut strahlt Ruhe aus und steht damit konträr zur gehetzten Betriebsamkeit des Mediums Fernsehen. Und sie atmet, dank eines pneumatischen Computerprogrammes.

Wie in seiner Reminiszenz an Duchamps „Das große Glas“ bürstet der 32-Jährige gerne Sehgewohnheiten gegen den Strich. Seine Fotomontagen zeigen – wie könnte es anders sein – keine heile Schweizer Welt. In „haute couture“ etwa sind inmitten viel Grün und vor kitschigem Postkarten-Alpenpanorama drei gerupfte Hühner zu sehen. Auch um die Auseinandersetzung mit Geld scheint heutzutage kaum ein Schweizer Künstler herum zu kommen.

Gratwohl macht das mit dem ihm eigenen subtilen Humor. Er hat 2.000 Einfrankenstücke zu einem Ei aufgeschichtet und auf eine kleine Kochplatte gestellt. Eindeutiger geht's nicht. Besonders hübsch die Idee, den nackten Oberkörper eines Freundes zu fotografieren und mit einem Display einer digitalen Videokamera zu überblenden. So sieht man auf dem Rücken die verschiedenen Tasten, wie Play und Execute: Menschen sind eben auch nur Maschinen und haben auf Knopfdruck zu funktionieren.

Daneben hängen zwei überdimensionale Porträts, die alle Konturen verschwimmen lassen. Kaum erkennbar, sehen Frau und Mann entmenschlicht aus. Wer hat Porträt gestanden? Das erfuhren nur die Vernissage-Gäste, denn in seinem Portmonee trägt Gratwohl die Models spazieren: Zwei winzige Figuren aus einem Bastelsatz für Spielzeugeisenbahnen.

Bis 4. Dezember, Mi.–Fr. 15–19; Sa. 11–15 Uhr und nach Vereinbarung. Galerie Mönch, Reichsstraße 52