Im Zweifel auf die Terroristenliste

USA Journalisten enthüllen, wann die Behörden Personen als Staatsfeinde registrieren – vager Verdacht genügt. 1,5 Millionen erfasst

BERLIN taz | Dass die US-Behörden sogenannte Terrorlisten führen, auf denen weltweit BürgerInnen gelistet werden, die aus Sicht der USA in irgendeinem Zusammenhang mit Terrorismus stehen oder stehen könnten, ist lang bekannt. Auch dass es nahezu unmöglich ist, von so einer Liste wieder herunterzukommen, wird seit Jahren von Bürgerrechtsorganisationen beklagt. Nur die Kriterien, wer eigentlich auf die Liste kommt, welche Daten herangezogen werden und wer darüber entscheidet, war unbekannt – jedenfalls bis zu diesem Donnerstag.

Da veröffentlichte das vom bekannten ehemaligen Guardian-Journalisten geleitete Internetportal The Intercept die 166 Seiten umfassenden Richtlinien. Das Papier war den Intercept-Autoren Jeremy Scahill und Ryan Devereaux zugespielt worden.

Deutlich wird daraus, dass die Kriterien mehrfach ausgeweitet wurden und ausgesprochen locker sind. Zwar heißt es, reine Vermutungen würden nicht ausreichen, aber ein „Verdacht“ genügt – und für dessen Begründung sind ausgesprochen vage Kriterien formuliert. Glaubt die Behörde, dass eine Person mit einer Terrororganisation in Verbindung steht, muss sie das nicht weiter begründen – die Person landet auf der Liste. Selbst Personen, die wegen mutmaßlicher Beteiligung an terroristischen Aktivitäten vor Gericht freigesprochen werden, bleiben auf der Liste – vor Gericht braucht man Beweise, für die Liste nicht.

Gesammelt werden dann nahezu alle persönlichen Informationen, derer man habhaft werden kann, von Kontodaten über Einträge in sozialen Netzwerken bis hin zu Angaben über Haustiere und Literaturvorlieben.

Die Folge: Wer auf der Liste steht, wird öfter kontrolliert, bekommt womöglich kein Visum, kann womöglich keinen Flug mehr buchen oder kein Konto eröffnen. Das kann Existenzen zerstören, ohne dass die betreffende Person je die Gründe erfährt, warum sie auf der Liste gelandet ist.

Die Datenbank, gegründet nach dem 11. September 2001, ist in den letzten Jahren auf mindestens 1,5 Millionen Einträge angewachsen. Tendenz steigend.

BERND PICKERT

firstlook.org/theintercept/article/2014/07/23/blacklisted/