Ordnungsmacht Sinn Féin

■ In Nordirlands neuer Regierung teilen sich Katholiken und Protestanten die Posten

Dublin (taz) – Jahrzehntelang galten sie als Staatsfeinde, nun sind sie für die öffentliche Sicherheit zuständig: Sinn Féin, der politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), besetzt in der ersten nordirischen Mehrparteienregierung zwei Ministerposten. Die 45-jährige Birbre de Brun ist neben der öffentlichen Sicherheit zuständig für Soziales und Gesundheit, der 49-jährige Martin McGuinness wird Bildungsminister.

Die Ernennung der beiden Sinn-Féin-Leute ist am Montagabend im Belfaster Schloss Stormont mit Zischen und demonstrativem Husten von den Zuschauerrängen begleitet worden, mehrere Unionisten verließen aus Protest den Saal. Sozialentwicklungsminister Nigel Dodds von Pfarrer Ian Paisleys Democratic Unionist Party (DUP), die gegen das Abkommen ist, sagte: „In einer normalen Demokratie wäre es der stolzeste Tag meines Lebens, ein solch hohes Amt erreicht zu haben, aber dem ist nicht so, weil die Person, die für die Bildung unserer Schulkinder zuständig ist, früher Kommandant der IRA war.“

Neben Dodds zieht auch Paisleys Stellvertreter Peter Robinson in die Regierung ein. Er suchte sich überraschend das Ministerium für regionale Entwicklung aus, obwohl dieses Amt eine starke gesamtirische Dimension hat. Dodds und Robinson haben jegliche Zusammenarbeit mit Sinn Féin abgelehnt, wollen sich aber „für alle in unserer Gesellschaft einsetzen, unabhängig von ihrer religiösen oder politischen Überzeugung“, sagte Robinson.

Es ist die erste nordirische Regierung, an der Katholiken und Protestanten gleichermaßen beteiligt sind. Neben Sinn Féin und der DUP stellen die katholischen Sozialdemokraten der SDLP und die Ulster Unionist Party (UUP) jeweils drei Minister. Hinzu kommen David Trimble (UUP) als Premierminister und Seamus Mallon (SDLP) als sein Stellvertreter.

Die britische Königin wird heute das entsprechende Gesetz unterzeichnen, damit die Macht um Mitternacht auf die nordirische Regionalregierung übertragen werden kann. Gleichzeitig erlischt der Anspruch der Republik Irland auf den Norden, der bisher in der Verfassung verankert war. Es ist jedoch verfrüht, von einer Lösung des dreißig Jahre währenden Konflikts zu sprechen: Wenn die IRA nicht bis Februar mit der Abrüstung beginnt, werden Trimble und seine drei Minister zurücktreten. Der nordirische Friedensprozess müsste dann begraben werden.

Ralf Sotscheck