Querspalte

■ Kuschelsex bei Zahn 24

Die Sonne blinzelte zwischen Novemberwolken, als der 46-jährige junge Mann allen Mut in seine Lederjacke packte und die U-Bahn zur Zahn-Implantation nahm. Operationstermin! Die Lücke links oben bei Zahn 24 sollte mit einem Reintitanstift gefüllt werden. Aufmerksame taz-Leser kennen die Vorgeschichte: Der Patient war zur Wiederherstellung der Kauebene beim Implantatberater gewesen. Der furchtbar nette Chirurg hatte zuerst die Zahnlücken gelobt („da hat man ja hübsch aufgeräumt“), dann den „gut ausmineralisierten Kieferknochenkamm“, der sich vorzüglich zur Implantation eigne.

Jetzt ist es so weit! Der Patient liegt gefasst unter der OP-Lampe, der Oberkiefer ist örtlich betäubt. Der eigentliche Schrecken ist die Phantasie. Wenn der Bohrer abrutscht! Die zarte Zunge püriert! Andererseits ist die Lücke so groß, dass selbst der verkatertste Implanteur sie treffen müsste. „Wir machen zwei Schnittchen ins Zahnfleisch, dann klappen wir das weg wie eine Gardine“, hat er angekündigt. Dafür rumpelt er aber ganz schön im Schnäuzchen rum. „Geht's noch?“ „Kein Problem!“

Dann wird's ernst: „Es brummt jetzt ein wenig!“ Die Black & Decker springt an, schon spritzen die Knochensplitter. Den Patienten peinigt noch immer nichts als die eigene Vorstellung vom neuen Brenner-Tunnel. Viermal gebohrt, schon dreht der Mini-Schlüssel den Titanstift rein, wie die Schraube für die Gardinenstange. Endlich wird die Wunde zum Weihnachtspaket verschnürt, fertig. „Die Knochenbälgchen müssen sich jetzt an das Implantat ankuscheln“, verrät der Chirurg das zärtliche Rendezvous im gut ausmineralisierten Kieferknochenkamm. Die Sprechstundenhilfe verteilt derweil Schmerztabletten.

Alles gut gegangen, das machen wir jetzt öfter!

                                Manfred Kriener