Schutz in schlechter Verfassung

Verfassungsschutz-Mitarbeiter des Geheimnisverrats beschuldigt: weil er bekannt gab, der Amtsleiter müsse sich für „Mobbingattacken“ rechtfertigen. Der sieht „hervorragendes Betriebsklima“

von Armin Simon

Das Bremer Landesamt für Verfassungsschutz ist eine verschwiegene Behörde. Ganze drei Anschlüsse weist das Behördentelefonbuch für sie aus, und selbst dort schallt Anrufenden zur Begrüßung bisweilen ein markiges „Kein Kommentar!“ entgegen. Auch wenn sie noch gar keine Frage gestellt haben.

Selbst wer anderen Anreize zum Fragenstellen gibt, muss mit Konsequenzen rechnen. Das bekommt nun ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu spüren. In einem anonymen Schreiben, abgesandt von einem öffentlich zugänglichen Faxgerät in einem Bremer Kaufhaus, hatte er am Freitag die Bremer Presse auf eine Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am Montagmorgen aufmerksam gemacht und Hinweise auf deren – normalerweise geheime – Tagesordnung gegeben. Es gehe um „operative Fehler“, „rassistische Äußerungen“ und „Mobbingattacken“ des Leiters des Landes, Walter Wilhelm, heißt es darin.

Die Staatsanwaltschaft benötigte zwei Tage, um den Verfasser des Faxes ausfindig zu machen. Dieser habe die Tat inzwischen gestanden, teilt Sprecherin Monika Schaefer mit. Gegen ihn laufe nun ein Ermittlungsverfahren – wegen Beleidigung und Verrats von Dienstgeheimnissen. Üblicherweise suspendiert das Innenressort derart beschuldigte Mitarbeiter unverzüglich vom Dienst.

Amtsleiter Wilhelm, der erst letztes Jahr in Bedrängnis geriet, weil er Hakenkreuz-Schmierereien als „Jugendsünde“ qualifizierte, zeigte sich gestern „guten Mutes“. Auf der geheimen Sitzung der Kontrollkommission seien alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe „vertraulich erörtert“ worden, sagte er der taz. Von Streitigkeiten und massiven Differenzen innerhalb des Amtes könne keine Rede sein. „Das Betriebsklima ist gut“, betonte Wilhelm. Und: „Schwarze Schafe gibt es überall.“

Anders sehen das Mitarbeiter der Kontrollkommission, die Wilhelm am Morgen befragt hatten. Von einer „verstörenden Sitzung“ spricht Matthias Güldner (Grüne): „Die Vorwürfe sind noch lange nicht ausgeräumt.“ Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Kommission, Hermann Kleen (SPD): Die Anschuldigungen müssten „möglicherweise noch weiter erörtert werden“.

Nach Informationen der taz haben sich alle drei mutmaßlichen Mobbingopfer, darunter der Absender des Faxes, bereits vor einigen Tagen beim Innenressort über die Behandlung beschwert. Sie sind derzeit krankgeschrieben. „Den Mobbingvorwürfen gehen wir nach“, sagte der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer. Außerdem sollen die Parlamentarier Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) aufgetragen haben, der Kommission auf ihrer nächsten Sitzung über das Ergebnis der internen Ermittlungen zu berichten.

Der Vorwurf, Wilhelm seien bei der Auswertung von angeblichen „Hasspredigten“ eines Bremer Imams „operative Fehler“ unterlaufen, ist nach taz-Informationen dagegen vom Tisch. Das Innenressort bestätigte, man sehe diese Anschuldigung inzwischen als ausgeräumt an.

Welche Verantwortung der Bremer Verfassungsschutz für die jahrelange Inhaftierung des Bremer Türken Murat Kurnaz auf Guantánamo hatte, will die Parlamentarische Kontrollkommission Ende nächster Woche klären. Die Grünen hatten Akteneinsicht beantragt, der sich inzwischen auch SPD und CDU angeschlossen haben.