Der heilige Cyborg auf Abwegen

Die Apokalypse droht, die Erlösung winkt: In dem Endzeitfilm „End Of Days“ kämpft Arnold Schwarzenegger gegen den Teufel  ■   Von Dirk Knipphals

Um die Erlösung war es auch schon mal besser bestellt. Immerhin: Man begegnet diesem Konzept noch manchmal.

Bei dem neuen Computerspiel „Age Of Kings“ etwa gibt es, wie bei vielen dieser Strategiespiele, kleine Mönchsfiguren, mit denen man die eigenen Ritter heilen und gegnerische Ritter bekehren kann. Die Effektivität der Mönche lässt sich auf mancherlei Art verbessern. Erfindet man zum Beispiel den Buchdruck, erhöht sich ihre Bekehrungsreichweite, was sofort einleuchtet. Erfindet man die Erlösung (Mausklick genügt), können die Mönche nicht nur Ritter, sondern auch Gebäude bekehren.

Das zeigt sehr schön die Unsicherheit, die man heute dem Erlösungsdenken gegenüber haben mag. Irgendwie gehört es zur Religion dazu, irgendwie erhöht es ihre Attraktivität, aber wozu es genau gut ist, das weiß man so recht nicht mehr. Und wer will im Ernst heute schon noch erlöst werden?

Jericho Cane will es, der Mann, den Arnold Schwarzenegger in seinem neuen Film verkörpert, und so spielt der Wunsch nach Erlösung in „End Of Days“ eine tragende Rolle. Keineswegs in dem achselzuckend-pragmatischen Sinn, mit dem die Spieldesigner vorgegangen sind. Sondern in einer reinen Naivität und einem plakativen Ernst, zu dem in dieser Mischung wohl immer nur Hollywood fähig sein wird.

Selbstverständlich geht man nicht gänzlich fehl, wenn man bei dem Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger zunächst an Action denkt. Aber all die Schießereien und Verfolgungsjagden, die der Film in reicher Auswahl bietet, laufen doch nur auf einen Moment hinaus: Auf den Augenblick kurz vor dem Showdown, in dem Jericho Cane in einer katholischen Kirche vor dem Altar steht (!), das Gesicht zum Kreuz erhebt (!!), die Waffe wegwirft (!!!) und fortan den Kampf gegen das Böse durch reines Gottvertrauen gewinnen will. Die Apokalypse droht, die Erlösung winkt, und während man noch denkt, dass die Drehbuchautoren hier ja wohl von allen guten Geistern verlassen gewesen sein müssen, kann man ihnen einen gewissen Respekt doch nicht versagen: Es zeugt schon von entschiedener Chuzpe, in Zeiten, in denen die Vorstellung von Erlösung so auf den Hund gekommen ist wie heute, ein solches Pathos zu wagen. Zuletzt hat man so etwas in Märtyrerfilmen aus den Fünfzigerjahren gesehen.

Zumindest sind diese religiösen Obertöne das einzig Interessante in einem insgesamt durch und durch drittklassigen Film. Die Actionszenen sind zusammengeklaut aus „Sieben“, „Das Schweigen der Lämmer“, „Speed“, „Rosemary's Baby“ und manchem Film mehr. Die einzelnen Episoden sind mühsam durch unglaubwürdige Übergänge verbunden. Und so sehr sich Gabriel Byrne auch als Teufel anstrengt, so hat diese Figur, gegen die Arnold Schwarzenegger hier ankämpft, doch ein entschiedenes Manko – ständig schwankt sie in den Größenverhältnissen hin und her. Mal erscheint sie, um ordentlich Angst zu verbreiten, überlebensgroß. Dann aber muss sie, damit Arnold überhaupt einen realen Gegenspieler hat, aufs menschliche Maß zurückgestutzt werden: Teuflisch ist es dann nur noch, Frauen in den Ausschnitt zu fassen, Zigaretten zu rauchen und gegen Häuserwände zu pinkeln. Zu wenig, um einen wirklich gruseln zu lassen.

Kommt hinzu, dass der Film sowieso nur das Ergebnis einer groß angelegten Fehlspekulation in Sachen Millenniumserwartung ist. Der Plot zielt genau auf den bevorstehenden Jahrtausendwechsel und die damit, so das Kalkül, verbundenen Endzeitgefühle. Aber erstens hält sich die Erwartung des Weltuntergangs derzeit in Grenzen, und zweitens nimmt man das dem Film sowieso keine Sekunde lang ab. Die Silvesterfeier 2000 in New York bleibt eine beliebige Kulisse.

So bleibt in dieser Mischung aus handwerklichen Ungeschicklichkeiten, plagiatsverdächtigen Szenen und nicht aufgehendem Kalkül die Passionsgeschichte des Jericho Cane auf der Strecke. Er hat seine Frau, seine Tochter und seinen Lebensmut verloren, kann aber Erlösung erlangen, indem er eine junge Frau vor dem Teufel rettet, der mit ihr in der letzten Stunde dieses Jahrtausends den Antichrist zeugen will. Eine beinahe klassische Konstellation. Aber, und das ist der letzte heikle Punkt, nicht die richtige Rolle für Arnold Schwarzenegger. Zum reinen, nicht ironisch gebrochenen Guten fehlt bei ihm jegliches Identifikationspotenzial. Wer weiß, was gewesen wäre, hätte er den Teufel gespielt. Aber das passt vermutlich nicht mehr in seine Karrierestrategie.

Ein Böser will Schwarzenegger nicht mehr sein. Ein Heiliger aber wird nie aus ihm werden. Wobei: Für einen melodramatischen Augenblick ist er es schon einmal gewesen. Ein heiliger Cyborg, der sich am Ende von „Terminator II“, im kochenden Stahl versinkend, für die Menschheit opfert und noch einmal grüßend seinen Daumen hebt. Das war ein ebenso kitschiger wie großer Kinomoment. Für derart prophetischen Pop fehlt dem Erlösungsspektakel dann wieder die Chuzpe.

„End of Days“. Regie: Peter Hyams. Mit Arnold Schwarzenegger, Gabriel Byrne, Udo Kier u. a., USA 1999, 122 Min.