■ Daumenkino: Sofies Welt
Wie verfilmt man 600 Seiten Flachsinn? Mit viel Geld und wenig Ideen. Was für ein Verhältnis hat „Sofies Welt“ zur Philosophie? Und die klare Antwort: Sie hat keines. Wozu braucht man da zehn Millionen Dollar? Für einen dauernden Kreislauf. Und worum dreht der sich? Um ein Nichts, aber ein gut geölt Gewinn bringendes: Am Anfang war das Buch, dann die lukrativen Spielereien Kalender, Internet, CD-ROM und Musical, nun der Film zum Buch, gleich erlebt das Buch zum Film seine Renaissance. (Und dieser Frage-und-Antwort-Diskurs ist natürlich die sokratische Methode, Papier und Zelluloid sind ja geduldig.) Philosophie ist schön, macht aber viel Arbeit, und die will man sich, bei aller Sehnsucht nach Klarheit, denn doch ersparen. Man möchte schon erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber zu genau will man es auch wieder nicht wissen. Nun also „Sofies Welt“, der Film, der uns Tiefsinn und Transzendenz der abendländischen Denkrichtungen auf ein paar Schlagworte und Merksätze in handlichen Portionen reduziert.
Das Leben als Quiz-Show, das begann mit dem Schaulaufen, worauf das Land immer schon gewartet hat: die Miss-Sofie-Kür der Hauptdarstellerin, die „aus tausenden von jungen Mädchen“ Norwegens ausgesucht wurde. Die Ansprüche sind gigantisch, das Drehbuch sieht immerhin zwei rhetorische Figuren für sie vor: Ungefähr zweihundertmal muss sie „Das verstehe ich“ sagen, für die bedrängende Frage „Mami, wo komme ich her?“ hat sie dagegen noch die feinsinnigen Variationen „Wer bin ich?“ und „Was ist die Welt?“ parat. Die 14-jährige Göre, die diesen Plärrer-Wettbewerb gewann, darf sich in Mimik und Gestik dafür auf einen Ausdruck beschränken: weit aufgerissene Augen, halb offener Mund, feuchte Lippen, süßes Lächeln, albernes Herumgehopse zeigen die pure Heuchelei: Sie versteht keineswegs irgendetwas, sie interessiert sich für nichts, sie erfüllt nur den Traum eines unbedarften Lehrers oder Regisseurs vom Bild einer naseweisen kritischen Schnellmerkerin. Die Rechtschreibreform, konsequent angewandt, entlarvt endlich einmal etwas zur Kenntlichkeit: Diese Filo-Sofie löst ein Weltproblem nach dem anderen in Kreuzworträtselmanier, leider hat man Tacitus' Rat nicht befolgt: „O si tacuisses ...“ Helmut Merker
„Sofies Welt“. Regie: Erik Gustavson. Norwegen 1999. 112 Min.
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