Daumenkino

■ High Speed Money

Ein kurzes Zittern während der Passkontrolle, ein paar Stunden später liegt er in einem Hotel in Malaysia am Pool und schlürft Cocktails: Beinahe wäre der Wertpapierhändler Nick Leeson ein echter Gangster geworden. Doch dann schaltet er CNN ein und erfährt, dass er der alterwürdigen Barings-Bank Verluste in Höhe von insgesamt 827 Millionen Pfund verursacht hat. Das Unternehmen wird Bankrott anmelden müssen, die internationalen Finanzmärkte sind in Aufruhr, und der Broker schrumpft auf dem großen Hotelbett zusammen. Er schämt sich.

Im März 1995 wurde Nicholas Leeson auf dem Frankfurter Flughafen verhaftet. Vier Jahre später hat James Deardens mit „High Speed Money“ gedreht: the rise and fall of Nick Leeson, eine wahre Geschichte, bis in die Details hinein. Siegfried Kracauer hätte das eine „gefundene Geschichte“ genannt, und „High Speed Money“ ist dann auch, um in Kracauers filmtheoretischer Terminologie zu bleiben, genau das Gegenteil einer „theatralischen Story“: Nicht die Psychologie, sondern der Nikkei-Index bestimmt die Dramaturgie.

Ewan McGregor spielt Nick Leeson als schlichten Börsenproll, seine nervösen Blicke auf die Digitalanzeige über dem Parkett in Singapur halten die streng chronologische Szenenfolge zusammen wie Zwischentitel einen Stummfilm. „High Speed Money“ ist vielleicht kein aufregendes Kinoereignis, aber eine nette ironische Pointe am Ende der 90er-Jahre. Im Zeitalter des globalen Kapitalismus tritt ausgerechnet ein Broker-Film als streng materialistisches Kunstwerk auf: Form und Inhalt sind allein, wie es früher einmal hieß, aus „der Gesamtheit der ökonomischen Verhältnisse abgeleitet“. Kolja Mensing
‚/B‘„High Speed Money“. Regie: James Dearden. Mit Ewan McGregor, Anna Friel, GB 1998, 101 Min.