Keine Hinweise auf systematisches Massentöten im Kosovo

■ Die bisher gefundenen Gräber liefern keinen Beleg für den von der Nato stets behaupteten Völkermord

Berlin (taz) – Die Nato griff im März dieses Jahres in den Krieg im Kosovo ein. Das Militärbündnis wollte nach eigenen Angaben die Truppen des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic daran hindern, weiterhin die albanische Bevölkerung zu massakrieren. Die Politiker des Bündnisses sprachen von Völkermord und von bis zu einer halben Million bedrohter Menschen. Doch wie stünde diese Rechtfertigung des Nato-Krieges auf dem Balkan da, wenn gar keine Massaker stattgefunden hätten?

Dieser Verdacht ist aufgekommen, seit Carla Del Ponte, Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals, im November vor dem UN-Sicherheitsrat einen Zwischenbericht gab. 2.108 Leichen haben die gerichtsmedizinischen UN-Teams gefunden. Untersucht wurden vor der Winterpause 195 von 529 Stellen, wo das Tribunal aufgrund von Augenzeugenberichten Massengräber vermutet.

„Hier wurden sicher Verbrechen begangen, aber die hingen mit dem Krieg zusammen“, sagte der Gerichtsmediziner und Chef des spanischen Untersuchungsteams, Emilio Perez Pujol, nach seiner Rückkehr aus dem Kosovo. Sein Team habe statt der erwarteten 2.000 Leichen 187 gefunden. Auch George Friedmann, Direktor des Stratfor-Instituts, schlussfolgert nach seiner Datensammlung: „Es ist nicht zu einem massenhaften, systematischen Töten gekommen.“ Sogar der Pressesprecher des Kriegsverbrechertribunals, Paul Risley, sagt im taz-Interview, die Ermittler hätten „nicht viele Massengräber gefunden“. sim

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