Afrika hat jetzt auch einen „Fall Pinochet“

Äthiopiens Exdiktator Mengistu, in seiner Heimat wegen Völkermordes gesucht, hält sich zur medizinischen Behandlung in Südafrika auf. Die Regierung lehnt eine Auslieferung ab   ■  Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Der private Aufenthalt des ehemaligen äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam in einer Johannesburger Privatklinik beschert der südafrikanischen Regierung einen afrikanischen Fall Pinochet. Vor zwei Wochen hat der als „Schlächter von Addis Abeba“ verschrieene 62-Jährige sein Exil in Simbabwe verlassen, um sich in einer Johannesburger Privatklinik wegen eines Herzleidens behandeln zu lassen. Das hat die südafrikanische Regierung jetzt in ein diplomatisches, juristisches und moralisches Dilemma befördert.

Die äthiopische Regierung erklärte am Donnerstag, einen offiziellen Auslieferungsantrag in Pretoria gestellt zu haben. „Mengistu ist der meistgesuchte Verbrecher des Landes“, sagte Regierungssprecher Haile Kiros Guessesse in Addis Abeba. In Pretoria dementierte man gestern, ein solches Begehren erhalten zu haben. Unabhängig davon hat die Regierung von Thabo Mbeki erklären lassen, man werde Mengistu keinesfalls ausliefern – schon deshalb, weil es kein entsprechendes Abkommen mit Äthiopien gebe.

Tatsächlich herrscht in Südafrikas Regierung Ratlosigkeit, wie man mit diesem Präzedenzfall für Afrika verfahren soll. „Man fragt sich, warum Äthiopien den Antrag nicht an Simbabwe gestellt hat“, wich Vizepräsident Jacob Zuma (ANC) am Donnerstagabend entsprechenden Fragen der taz aus. In Simbabwe, wohin Mengistu 1991 nach seinem Sturz geflüchtet war, genießt er den Schutz von Präsident Robert Mugabe, der ihm eine großzügige Villa mit Bewachung zur Verfügung stellt. Auf Druck der USA erhielt Mengistu offiziell Asyl; mittlerweile ist er sogar simbabwischer Staatsbürger.

Nur aufgrund einer Recherche der unabhängigen Zeitung Zimbabwe Independent kam vor zwei Wochen überhaupt heraus, dass Mengistu nach Südafrika geflogen war – mit einem simbabwischen Diplomatenpass. Schon vorher sei mit der südafrikanischen Regierung geklärt worden, dass Mengistu einreisen dürfe und auch keine Auslieferung zu befürchten habe. Ein südafrikanischer Regierungssprecher bestätigte später, dass Mengistu zugesichert worden sei, als Privatmann medizinische Behandlung zu erhalten – „aus humanitären Gründen“.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen wollen gerade diese Begründung nicht gelten lassen. „Human Rights Watch“ hat gefordert, Mengistu in Südafrika wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen. Dies, so der Afrikaexperte der Organisation, Peter Takirambudde, sei möglich, weil Mengistu aufgrund der Flüchtlingskonvention als Kriegsverbrecher keinen Flüchtlingsstatus genieße. Zudem habe Südafrika die Anti-Folter-Konvention der UNO unterzeichnet. „Sie verpflichtet ein Unterzeichnerland wie Südafrika, einen angeklagten Kriegsverbrecher entweder auszuliefern oder ihm dem Prozess zu machen.“

Südafrika machte seinen Diktatoren im Sinne der nationalen Versöhnung nicht den Prozess. Äthiopien aber, so argumentiert Takirambudde, habe sich für eine strafrechtliche Verfolgung entschieden. „Südafrika sollte nicht versuchen, sein Modell einem anderen Land aufzuzwingen“, sagt er. „Jetzt hat es die Chance, den unglückseligen Kreislauf von Straflosigkeit zu durchbrechen, der in vielen Teilen Afrikas gilt.“