: Millionäre sollen stiften gehen
■ Reform des Stiftungswesens will mehr Gelder für das Gemeinwohl aktivieren. Etwa 300 Stiftungen werden jährlich gegründet. Auch mit geringem Grundkapital lässt sich eine solche Organisation ins Leben rufen
Der Grünen-Politiker Tom Koenigs hat sein ererbtes Vermögen einst dem Vietcong geschenkt. Die Millionen und die Guerilla-Bewegung sind längst passé. Wer will, dass sein Geld langfristig Gutes tut, gründet eine Stiftung. Zwischen 9.000 und 10.000 davon gibt es derzeit in Deutschland, und jährlich kommen etwa 300 dazu. Diese Zahl ist noch steigerungsfähig, glauben die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Sie wollen noch im Dezember einen Gesetzentwurf vorlegen, der ab dem 1. Januar 2000 das Stiften einfacher und damit lukrativer macht.
Eine Stiftung ist im Prinzip auf ewig angelegt. Das gestiftete Vermögen bleibt erhalten, ausgeschüttet werden nur die erwirtschafteten Gewinne. Eine Stiftung gründen können Lebende und – per Testament – auch Verstorbene. In einer Satzung wird geregelt, wie die Stiftung organisiert ist und welchen Zwecken das erwirtschaftete Geld zugute kommen soll. In mehr als drei Vierteln aller Fälle dient das gestiftete Kapital der Förderung sozialer, wissenschaftlicher oder sonstiger gemeinnütziger Zwecke. Seine Höhe ist offen, in der Regel gehen die Behörden jedoch von mindestens einer halben Million Mark aus, sagt Ulrich Brömmling, Pressesprecher der Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.
Ausnahmen gibt es für Stiftungszwecke, die auch mit geringen jährlichen Summen zu erreichen sind, oder für Stiftungen, die ihr Startkapital durch gezielte Einwerbung von Spenden und Zustiftungen erhöhen wollen, wie dies neu gegründete Bürgerstiftungen oft planen.
Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Mit einem Vermögen von 5,5 Milliarden Mark in Firmenaktien führt die Robert-Bosch-Stiftung die Hitliste an, vor der Volkswagenstiftung mit 3,5 Milliarden und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit immerhin noch 3 Milliarden Mark. Die Regel sind jedoch kleine private Stiftungen mit einem Kapital von nur wenigen Millionen Mark.
Wer stiften gehen will, braucht eine behördliche Genehmigung. Die oft geäußerte Kritik an diesem bürokratischen Verfahren kann Ulrich Brömmling nicht bestätigen. „In der Regel dauert es sechs bis zwölf Wochen, in komplizierten Fällen aber auch bis zu sechs Monate.“ Die bestehende Regelung durch ein von den Amtsgerichten geführtes Stiftungsregister zu ersetzen hält er für wenig hilfreich. Sinnvoll wäre eine Vorschrift, Satzung und Finanzberichte zu veröffentlichen und so für mehr Transparenz zu sorgen.
Entscheidender als bürokratische Anforderungen sind die steuerrechtlichen Hürden. So kassiert das Finanzamt auch dann Erbschaftsteuer, wenn das Vermögen gemeinnützigen Zwecken gestiftet wird. Nur die Förderung von Wissenschaft und Kultur ist von der Steuer befreit. Ob sich die Bündnisgrünen mit ihrer Forderung, gemeinnützige Stiftungen von der Erbschaftsteuer zu befreien, bei Finanzminister Eichel durchsetzen können, ist offen. Dieser berfürchtet den Verlust von einer Milliarde Mark Steuereinnahmen im Jahr. Das Finanzamt kassiert auch, wenn das Stiftungsvermögen aus Immobilien besteht, die erst noch verkauft werden müssen. Dann wird Grunderwerbsteuer fällig. Wer zu Lebzeiten einen Teil seines Vermögens stiftet, zahlt weniger Einkommensteuer. Allerdings werden von der zu versteuernden Summe maximal fünf Prozent bei Bildung und Umwelt und zehn Prozent bei den anderen gemeinnützigen Zwecken abgezogen. Zwar können größere Summen auf die Steuererklärungen mehrerer Jahre verteilt werden. In der Praxis kann trotzdem meist nur ein Teil des gestifteten Vermögens steuermindernd geltend gemacht werden. Die Reformvorschläge reichen hier von einem einheitlichen 10-Prozent-Satz (Finanzministerium) über eine Erhöhung auf 20 Prozent (CDU und FDP) bis zu dem nach Ansicht von Stiftungsexperten eher kontraproduktiven Vorschlag von SPD und Grünen, den Abzug auf 50.000 Mark zu deckeln.
Neu in der deutschen Stiftungslandschaft sind Stiftungen, in denen sich Bürger zusammenschließen, um in ihrer Stadt gemeinnützige Projekte zu organisieren und dafür dauerhaft Geld aufzutreiben. Auch Berlin hat seit wenigen Wochen eine solche Bürgerstiftung. Ein Vortrag des Kriminologen Christian Pfeiffer, der die Hannoveraner Bürgerstiftung mit gegründet hat, war für 25 Menschen vor einem Jahr der Anlass, aktiv zu werden. Sie gründeten den Verein „Freunde der Bürgerstiftung Berlin“, erarbeiteten eine Satzung, warben für Spenden und entwickelten konkrete Projekte. Mit einem Vermögen von 300.000 Mark ist die Stiftung inzwischen genehmigt und hat damit begonnen, Projekte für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten schnell, unbürokratisch und effizient zu fördern. So werden in Hellersdorf Schulverweigerer betreut oder wird der Tiergarten International Sport Club unterstützt, in dem 80 Jugendliche aus 25 Nationen Basketball spielen. In Vorbereitung ist ein Projekt, in dem Schüler zu Konfliktlotsen ausgebildet werden, die schlichtend eingreifen sollen, wenn Gewalt in der Schule zu eskalieren droht.
Doch die Stiftung will nicht nur Geld sammeln. „Wir wollen die Menschen im Sinne der Nachbarschaftshilfe auch motivieren, ehrenamtlich tätig zu werden“, sagt Mitgründerin Verena von Bassewitz. Deshalb wird es neben der Stiftung auch weiterhin den Förderverein geben. Denn bei einer Stiftung kann man nicht Mitglied werden. Leo Frühschütz ‚/B‘Weitere Informationen: Bürgerstiftung Berlin, Im Schwarzen Grund 11, 14195 Berlin, Tel. (0 30) 83 22 81 13, Fax 83 22 81 14, Internet: www.buergerstiftung-berlin.de/ Info für Stifter: „Die Verwaltung einer Stiftung“ und „Ratgeber für Stifter – Zur Errichtung einer Stiftung“, je 10 Mark, zu beziehen beim Bundesverband Deutscher Stiftungen, Binger Straße 40, 14197 Berlin. Tel. (0 30) 89 79 47-0, Fax 89 79 47-11, Internet: www.stiftungen.org Unter der Adresse www.bezreg-arnsberg.nrw.de/seiten/infos/abt_1/15/stiftung.htm hat das Regierungspräsidium Arnsberg einen Leitfaden für Stifter veröffentlicht.
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