Altersrente aus Turbinen

Kann man heute noch ein Wasserkraftwerk bauen? Ja, sagt der Bremer Umweltsenator – und legt europaweit ungekannte Fischschutzstandards fest. Derweil wollen selbst die investieren, die die Turbinen jahrelang als „unwirtschaftlich“ ablehnten

aus Bremen Armin Simon

Vor an einem „Rentenmodell“ spricht Hucky Heck, einem „technisch und ökologisch sehr komplizierten“, wegen der Fische und wegen Ebbe und Flut. Die lassen den Wasserstand in der Weser unterhalb des Wehrs in Bremen-Hemelingen steigen und fallen. Das stellt die Ingenieure vor Probleme, die möglichst viel Strom erzeugen wollen. Die Fische wiederum machen den Ökologen Sorgen, denn das Bremer Wasserkraftwerk, das Heck bauen will, liegt ziemlich nahe an der Mündung der Weser. Alles, was aus der Nordsee flussaufwärts schwimmt, bis nach Hessen und Thüringen, muss hier möglichst unbeschadet durch. Bis zum Bundesverband der Sportfischer hinauf hatten die Verbände Einwendungen vorgebracht. Und mit einer „Fischhäckselmaschine“, vor der sie warnten, wäre auch Hecks Partner Greenpeace Energy nicht glücklich geworden. Rente hin oder her.

Seit Ende letzter Woche hält Heck aber ein Papier in den Händen, vielleicht sollte man besser sagen: ein Konvolut. Auf dem prangt der Titel „Wasserrechtlicher Planfeststellungsbeschluss“, und der Bremer Umweltsenator hat seinen Stempel draufgedrückt. Das werde, hofft Heck, auch die letzten Kritiker seines Bauvorhabens besänftigen. Ein ganzes System von Lockströmungen und Bypässen, Überspülungen und Schlupflöchern, Pumpen und Steuerklappen haben die Planer erfunden, damit die Fische unbehelligt an den Turbinen vorbei Wehr und Kraftwerk passieren können. Die Behörde hat in ihrer Genehmigung noch einiges mehr zur Auflage gemacht: „So einen Fischschutz gibt es in ganz Europa nicht“, sagt Umweltsenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU). Und dass man mit den nach oben gebogenen 1.200 Metallstäben am Einlaufgitter, die nur 25 Millimeter auseinander stehen, „das maximale rausgeholt“ habe beim Fischschutz. Mit viel weniger wär’s auch kaum gegangen: Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verbietet die ökologische „Verschlechterung“ von Flüssen.

Deswegen verfolgen nicht nur Fischschützer und Ökologen, sondern auch Planer von möglichen anderen Wasserkraftwerken die Bremer Erfindungen und Auflagen mit großem Interesse. Etwa die Stadtwerke Lingen. An einer Staustufe der Ems im Süden der Stadt, kurz hinter dem Abzweig des Emskanals, gibt es seit über zehn Jahren die Idee, die Wasserkraft zur Stromerzeugung zu nutzen. Drei Energieversorgungsunternehmen haben das Projekt bereits erwogen. Inzwischen verfüge man über „planfeststellungsreife Unterlagen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Ulrich Boss. Nur, ob sich Ökostrom und Ökologie in Einklang bringen lassen, ist noch unklar. „Fischschutz“, sagt Boss, „ist bei uns ein ganz besonderes Erfordernis“. Schwimmen in der Ems doch sogar Fische, die auf der roten Liste der geschützten Arten vermerkt sind.

Ginge es nur um die Wirtschaftlichkeit, wäre das Wasserkraftwerk längst gebaut, ist Boss überzeugt. Obwohl es im Fall der Ems nur um eine Turbine von 1,2 Megawatt Leistung geht – halb so viel, wie die derzeit gebräuchlichen Windkraftanlagen bei Volllast liefern. In Bremen, mit zehn Megawatt Leistung, sieht die Rechnung noch viel positiver aus. 28 Millionen Euro veranschlagt Heck für den Bau, drei Viertel davon aber sind für den unterirdischen Kraftwerkskanal (siehe Kasten), Ein- und Auslauf nötig. Im Gegensatz zu Turbinen und Generatoren halten die nahezu ewig. Mit Blick auf stetig steigende Strompreise und Klimaschutzauflagen prophezeit Heck potenziellen AnlegerInnen daher kräftige Renditen „bis in die übernächste Generation“. Der Betrieb des Kraftwerks ist vorerst auf 60 Jahre genehmigt.

Das haben offenbar auch andere begriffen: Der Bremer Energieversorger SWB, der sich mit dem Verweis auf angebliche „Unwirtschaftlichkeit“ jahrzehntelang geweigert hatte, das Wasserkraftwerk zu errichten, hat Heck zufolge schon angeboten, kräftig Geld zu investieren. Und Eon, ansonsten Betreiber von Atom- und Kohlekraftwerken, habe der Weserkraftwerk Bremen GmbH sogar die Übernahme aller Planungen und Rechte angeboten – „zu jedem Zeitpunkt“. Heck, Verfechter des „Bürgerkraftwerks“, hat schon abgewunken: „Kommt überhaupt nicht in Frage.“