Die PDS in ihrem Lauf . . .

■  Zehn Jahre nach der Umbenennung der SED sind die Demokratischen Sozialisten für die anderen Parteien im Abgeordnetenhaus immer noch tabu. Die taz widmet sich eine Woche lang den roten Mauerblümchen

Seit den Landtagswahlen vom 10. September geht es in Berlin fast ausschließlich um die künftigen Regierungsparteien CDU und SPD. Im unerfreulichen Gerangel der Koalitionspartner um Personal- und Ressortfragen versinkt eine Partei, die in diesen Tagen ihren zehnten Geburtstag feiert, im schwarzen Loch der Nichtbeachtung. Eine Partei, die im Ostteil der Stadt die meisten Stimmen erhalten hat (39,5 Prozent). Die in 11 von 23 Bezirken die Mehrheit erobert hat. Die im Westteil ihren Stimmenanteil verdoppelt hat, auch wenn er lediglich 4,2 Prozent beträgt. Eine Partei, mit der ein Regierungswechsel theoretisch möglich gewesen wäre. Eine Partei, die gleichwohl völlig chancenlos war, an der Regierung beteiligt zu werden und das nicht nur wußte, sondern auch einsah.

„Parasiten“, nannte der kulturpolitische Sprecher der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, die PDS in der Wahlnacht. Widerspruch gegen solches Vokabular regt sich weder bei Journalisten noch bei Politikern. Dennoch bröckelt die Front der undifferenzierten Ablehnung der PDS, nur dass es kaum jemand öffentlich zugeben will.

In einem offiziellen Statement gegenüber der taz sagt CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, dass PDS und SED ein und dieselbe Partei seien. Beim abendlichen Plausch auf einem Pressefest hält er die PDS dagegen durchaus für regierungsfähig. Seine einzige Forderung: Sie müsse sich von der Vergangenheit trennen.

Warum das notwendig sei? „Politik ist nicht nur Bedürfnisbefriedigung.“ Landowsky geht damit auf eine Stimmung ein, die insbesondere in Berlin weit verbreitet ist. Die emotionale Ablehnung der PDS ist hier besonders groß. Schließlich stand die Mauer in Berlin und nicht in Magedburg.

Die SPD müsste eine Spaltung fürchten, wenn sie sich auf die PDS als Partner einließe. Dennoch wissen alle Parteien, dass im Osten kein Weg an der PDS vorbeiführt. Die meisten Wahlen der jüngsten Zeit beweisen, dass die PDS an Zustimmung gewinnt. Bei der Bundestagswahl hat sie die Fünfprozenthürde genommen. In Sachsen-Anhalt hat sie zugelegt, obwohl sie sich fünf Jahre lang im Tolerierungsmodell beweisen musste. Und in Mecklenburg-Vorpommern, wo die PDS an der Regierung beteiligt ist, hat die Gesprächsbereitschaft von Wirtschaftsverbänden mit der Regierung im Vergleich zu vorher sogar zugenommen.

In Berlin hat es noch funktioniert, dass die CDU die PDS im Kampf gegen die SPD instrumentalisiert hat. Ihr Wahlkampf, in dem sie die Angst vor einer rot-roten Regierung geschürt hat, ist aufgegangen.

Hat sich die PDS wirklich nicht von der Vergangenheit gelöst? Der Sprecher der Kommunistischen Plattform, Michael Benjamin, hat jüngst den Eindruck erweckt, als wolle er den Bau der Mauer verteidigen. Die Berliner Parteiführung schwört Stein und Bein, dass die kommunistische Plattform keinen konkreten Einfluss auf die Politik habe. Benjamin ist Mitglied des Parteivorstandes.

Mit aller Macht will sich die Partei von dem Ruch der SED-Nachfolgepartei befreien. Dabei muss sie eine Gratwanderung machen, um die stärker werdenden nostalgischen Gefühle eines Teils ihrer Wählerschaft nicht zu verletzen. So distanzieren sich ihre Spitzenpolitiker zwar regelmäßig von der SED, dennoch ist nicht gerade der Eindruck entstanden, als wollten sie die Basis allzu sehr mit dieser Problematik behelligen.

Die PDS hat ein weiteres strukturelles Problem: Die Parteiführung will die PDS als linke Partei positionieren. Dabei ist ein nennenswerter Teil ihrer Wählerschaft eher konservativ und goutiert die programmatische Aussage für eine liberale Ausländerpolitik und eine liberale Drogenpolitik nicht. Bisher hat dieser Dissens kaum Konsequenzen. Zur gegenseitigen Beruhigung werden die Gegensätze in der Regel kaum thematisiert.

Die Programmkommission der PDS hat sich erst in der vergangenen Woche wieder in Gratwanderung geübt. „Der Markt“ wird einerseits wegen seiner „sozialen Kälte, ökologischer Blindheit und zerstörerischen Wirkungen“ gescholten. „Trotzdem“, heißt es, sei er „ein unverzichtbarer dezentraler Selektionsmechanismus“. Diesmal kam offener Widerspruch. Die Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf, Uwe-Jens Heuer und Michael Benjamin schrieben ein Minderheitenvotum und warfen ihrer Partei „Parallelen zur „SPD-Entwicklung“ vor. Es muss wirklich schlecht um die PDS stehen.

Markus Franz
Andreas Spannbauer