Start in den nächsten Wahlkampf

■  Beim Postengeschacher der SPD geht es nicht nur um die Politik der nächsten fünf Jahre. Auch die Startpositionen für die Spitzenkandidatur der Partei im Jahr 2004 werden vergeben

Erbittert kämpfen die Genossen in diesen Tagen um Ämter und Posten. Dabei geht es nicht nur um Macht und Geld, sondern auch um eine gute Startposition für die Spitzenkandidatur 2004.

Die drei Positionen, auf denen sich ein künftiger SPD-Spitzenkandidat profilieren könnte, sind der Fraktionsvorsitz, ein Senatsposten und das Bürgermeisteramt. Doch wer nun glaubt, die SPD platziere ihre zukunftsträchtigsten Köpfe auf den besten Plätzen, täuscht sich gewaltig. Das zeigte sich schon darin, wie die Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing aus dem Senat gekippt wurde. „Der SPD fehlt eine Grundkonzeption, mit welchen Personen in den nächsten fünf Jahren Politik gemacht wird“, kritisiert der Parteilinke Thomas Gaudszun. Seine Forderung findet auch bei der Parteirechten Zuspruch: „Die SPD muss die wichtigen Ämter nach strategischen Gesichtspunkten besetzen.“

Macht es da Sinn, dass Fraktionschef Klaus Böger Bürgermeister und Schulsenator wird? Böger wird im Jahr 2004 schon 59 Jahre alt sein. Zu alt für einen Spitzenkandidaten meinen jüngere Genossen, die auf einen Generationswechsel drängen. Böger wird sich als Bürgermeister profilieren, keine Frage. Er ist Schulpolitiker aus Leidenschaft. Mit einer guten Arbeit im Senat wird sich Böger für eine Spitzenkandidatur empfehlen – auch wenn er so klug war, Ambitionen in diese Richtung nie erkennen zu lassen. Böger ist ein einflussreicher Mann in der Berliner SPD. Doch bei den Koalitionsverhandlungen hielt er sich im Hintergrund. Zwar gehört es zur Rollenteilung, dass der Parteichef bei Koalitionsverhandlungen die Hauptrolle spielt, doch Bögers Schweigen war so augenfällig, dass manche Genossen lästerten, er habe sich an die Macht geschwiegen.

Auch der Fraktionsvorsitz, die zweite Startposition für eine Spitzenkandidatur, ist heiß umkämpft. Mit dem „Kuschellinken“ Klaus Wowereit (46) bewirbt sich einer der etwas jüngeren Hoffnungsträger der Fraktion. Der finanzpolitische Sprecher der Fraktion hat den Sparkurs der Finanzsenatorin stets unterstützt und genießt hohes Ansehen in der Fraktion. Um Fugmann-Heesing als Senatorin zu halten, schlug er noch am Montag vor, dass Böger Fraktionschef bleiben solle – obwohl Wowereit damit seine Ambitionen torpedierte, Bögers Nachfolge anzutreten.

Wowereits Gegenkandidat für den Fraktionsvorsitz ist Gewerkschaftssekretär Hermann Borghorst (52), der dem rechten Parteiflügel zuzurechnen ist. Er ist eine wichtige Integrationsfigur in der Partei. Doch bislang bleib er der ewige Zweite. Als Traditionalist unterstützte Borghorst den Sparkurs nur bedingt und setzte sich vehement gegen den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften ein. Als Fraktionschef wäre der wenig charismatische Borghorst allerdings kein Signal für die Erneuerung der SPD. Das Rennen zwischen Borghorst und Wowereit wird knapp. Wowereit könnte vorne liegen, denn die parlamentarische Linke ist das Zünglein an der Waage. Sie dürfte eher zu dem „Kuschellinken“ tendieren.

Als Gradmesser für die erhöhte Nervosität der Spitzengenossen gilt auch die späte Wahl des Fraktionschefs. Erst am Freitag, am Tag nach der Wahl der Senatoren im Parlament, wird die SPD ihren neuen Fraktionschef küren. Böger, dem schon immer nach gesagt wurde, dass er auf Nummer sicher geht, will offenbar nicht das geringste Risiko eingehen: Erst als gewählter Senator wird er den Fraktionsvorsitz räumen.

Ein starker Parteichef könnte die Vielzahl der Eigeninteressen zumindest ansatzweise in geordnete Bahnen lenken. Doch Peter Strieder ist schwach. Zudem stehen ihm seine starken Eigeninteressen im Weg. Strieder hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er 2004 als SPD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen will. Gerne spielt er darauf an, dass er erst 47 Jahre alt ist. Doch aus der Partei schlägt ihm eine „tiefsitzende Verachtung“ entgegen, so ein Funktionär. Strieder – in der Öffentlichkeit stets zu Scherzen aufgelegt – agiert innerparteilich autoritär. Der Einzelkämpfer ohne Hausmacht gilt fachlich als wenig beständig. Doch Strieders ausgeprägter Hang zur Selbstdarstellung sorgt für stetige Medienpräsenz. Er ist ist halb Mini-Napoleon, halb Spree-Machiavelli. Das hat ihm das politische Überleben gesichert. Bisher.

„Wenn Strieder beim Parteitag eine schlechte Rede hält, bekommt er Probleme“, prognostiziert ein Genosse. SPD-Parteitage können bekanntlich eine ungeahnte Dynamik entfalten. Strieder könnte womöglich von der Woge des Unmuts aus dem Amt des Parteichefs gespült werden. Auch beim Landesausschuss am Dienstag kann sich Strieder seiner Sache nicht sicher sein. Der kleine Parteitag empfiehlt der Fraktion die KandidatInnen für die drei Senatsämter. Fällt Strieder im ersten Wahlgang durch, hätte Borghorsts Stunde geschlagen. Denn in der Fraktion, die unmittelbar danach die Kandidaten für den Senat nominiert, hat Strieder kaum Rückhalt.

So umstritten Strieder parteiintern ist, er ist einer der wenigen Hoffnungsträger der Berliner SPD. Allein das sagt alles über die Personaldecke der SPD. Sollte sich Borghorst gegen Strieder durchsetzen, sähe das Spitzentrio der Genossen alt aus: Neben dem hölzern wirkenden Borghorst, dem drögen Böger wäre Wowereit das einzig vielversprechende Führungstalent. Dorothee Winden