Komatöse Läuterung in 90 Minuten

■ Vom Schwein zum Mensch: „Verliebt in eine Unbekannte“ (20.15 Uhr, ZDF)

Wir Couchpotatos lieben es, uns phlegmatisch auf dem Sofa zu räkeln und anderen dabei zuzuschauen, wie sie eine menschliche Entwicklung durchlaufen: Vom Geizhalz zum Mildtätigen, vom Verklemmten zum Verliebten, vom Saulus zum Paulus. So jedenfalls lehren es die Dozenten in den Drehbuchwerkstätten, predigen es die Redakteure, sehen es die Regisseure. Also gehen die Autoren mittlerweile in die Vollen, und unter einer Hundertachtziggradwendung des smarten Helden macht es das zeitgenössische Läuterungs-TV auf gar keinen Fall.

Völlig systemkonform ist deshalb Leon (Heio von Stetten) ein rechter Gauner, wenn die ZDF-Komödie „Verliebt in eine Unbekannte“ beginnt. Gemeinsam mit seiner aufreizend blonden Geliebten (Gesche Trebbenhoff) zockt er munter notgeile Männer ab, bis der Zufall ihn mit einer sittsamen, italienischen Krankenschwester zusammenbringt.

Lucia (Cecilia Kunz) hat den folgenschweren Auffahrunfall verursacht, der Leon ins Koma katapultiert. Pflichtschuldig wacht sie nun tage- und nächtelang an seinem Krankenbett, erzählt ihm rührende Geschichten, streicht ihm sittsam über das Haar – bis Leon schließlich mit der Vision aus dem Koma erwacht, er sei in eine ihm ungekannte Italienerin verliebt.

Es lässt sich an fünf Fingern abzählen, dass die Handlung ihre vollen 90 Minuten braucht, um aus dem abgebrühten Saulus einen kreuzehrlichen Paulus zu machen, der der selbstlosen Krankenschwester auch wirklich würdig ist. So viele Hürden, Kathastrophen, Missverständnisse sind nötig, dass die Fernsehverantwortlichen am Ende ihr Material wohl gehörig zusammenschneiden mussten, um das beschlossene Wunder der menschlichen Katharsis überhaupt noch in der regulären Sendezeit vonstatten gehen zu lassen. So langatmig alles in Gang kommt, so holterdiepolter findet die Komödie ihr programatisches Happy End.

Von ein paar hübschen Einfällen und gelegentlich originellen Dialogen abgesehen, ist „Verliebt in eine Ungekannte“ kaum mehr als hundertfach durchgespielte TV-Dutzendware. Couchpotatos mit überdurchschnittlicher Seherfahrung werden einige Deja-vus erleiden und den Beschluss fassen, Läuterungs-TV künftig konsequent wegzuzappen.

Klaudia Brunst