Massenproteste gegen Guineas Diktator

Generalstreik eskaliert zu Großdemonstrationen gegen die 23-jährige Herrschaft von Präsident Conté. Viele Tote

BERLIN taz ■ Im westafrikanischen Guinea hat gestern eine Protestwelle gegen die autokratische Herrschaft des 72-jährigen Präsidenten Lansana Conté ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Hunderttausende von Menschen folgten im ganzen Land einem Oppositionsaufruf zu Massendemonstrationen. Armee und Gendarmerie riegelten das Zentrum der Hauptstadt Conakry ab. Dort waren Demonstranten mit vier blutüberströmten Leichen in Richtung des Präsidentenpalasts unterwegs, nachdem Sicherheitskräfte das Feuer auf sie eröffneten. Im Donka-Krankenhaus der Hauptstadt meldeten Ärzte bis zum Mittag die Ankunft von elf Toten und 100 Verletzten. Auch in anderen Städten soll es Tote gegeben haben.

„Eine menschliche Flutwelle ist in Richtung Stadtzentrum unterwegs“, wird ein Parlamentarier in Conakry auf mehreren guineischen Internetseiten zitiert. „Die Sicherheitskräfte hatten zuerst geschossen, jetzt salutieren sie den Demonstranten. Heute wird noch etwas passieren.“ In einigen Orten solidarisierten sich die Behörden mit den Demonstranten. Radikale Oppositionelle sprachen vom Beginn eines Volksaufstands. Sie hoffen, dass das Militär sich mit ihnen solidarisiert, und werfen der Regierung vor, ehemalige Rebellen aus dem Nachbarland Liberia angeheuert zu haben.

Die Massenproteste erfolgten am 13. Tag eines von Gewerkschaften und Oppositionsparteien ausgerufenen Generalstreiks gegen die korrupte Politik in Guinea. Der landesweite Streik ist seit seinem Beginn am 10. Januar massiv befolgt worden. Bereits vor den gestrigen Demonstrationen forderten Zusammenstöße zwischen demonstrierenden Streikenden und der Staatsmacht zehn bis zwölf Tote.

Gestern legten die Gewerkschaften erstmals auch die Bergbaubetriebe des Landes lahm. Guinea hat die weltgrößten Vorkommen des Aluminiumerzes Bauxit und auch reiche Goldminen. Trotz dieses Reichtums an natürlichen Ressourcen gehört die Bevölkerung aber zu den ärmsten Westafrikas, und öffentliche Dienstleistungen sind kaum existent. Oppositionelle werfen dem Staat Korruption, Willkürherrschaft und Brutalität vor. Präsident Conté, selbst Militär, ist seit Jahren schwer krank.

Am Samstag waren Verhandlungen zwischen Regierung und Streikenden gescheitert. In einem Zugeständnis an die Streikenden hatte Präsident Conté zuvor Präsidialminister Fodé Bangoura entlassen, der seit der ersatzlosen Entlassung des Premierministers Cellou Dalein Diallo im April 2006 das Amt des Regierungschefs wahrnahm. Zugleich jedoch waren in der südlichen Stadt Nzérékoré erneut vier Demonstranten von der Polizei erschossen worden.

Contés Gegner sind nun nicht mehr kompromissbereit und verlangen, dass der Präsident die Macht an einen neutralen Übergangspremier abgibt, der freie Wahlen organisiert. Die Afrikanische Union (AU) und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon riefen Conté zum Dialog auf.

„Heute verlangt die gesamte Bevölkerung eine andere Art zu regieren“, erklärte gestern auf dem Weltsozialforum in Nairobi der Ökonom Fofana Bakari, Leiter einer der wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen Guineas. „Die Mentalität der Menschen hat sich geändert. Die derzeitigen Machthaber sind am Ende ihrer Herrschaft angelangt, ob sie wollen oder nicht. Es geht jetzt nur noch darum, einen Wechsel zuzulassen, ohne dass die Proteste in Gewalt umschlagen.“ DOMINIC JOHNSON