DIETER BAUMANN über LAUFEN
: Schreiben Sie das Wort „gelaufen“ aus

Warum es sich lohnt, an guten Vorsätzen festzuhalten – und sei es auch nur, um fremde Lügen zu enthüllen

Das neue Jahr ist gerade einmal einen Monat alt, und doch ist schon viel passiert. „Kyrill“ ist über das Land gefegt, Deisler und Nowotny hören auf zu kicken, Stoiber hat hingeschmissen und Steinmeier wackelt. In Tübingen regiert der neue OB Boris Palmer, ein Grüner, und die städtische SPD schmollt deswegen.

Und was ist mit Ihnen? Wollten Sie in diesem Jahr nicht alles anders, zumindest vieles besser machen? „Ich esse zu viel, zu fett, zu unregelmäßig!“ – „Fühle mich zu schwer, zu müde, zu unbeweglich!“ Diese gedanklichen Sätze haben den Vorsatz in Ihnen reifen lassen, „sich ein wenig mehr zu bewegen“. Nun sind vier Wochen rum, und was ist passiert?

In den ersten zwei Wochen dieses Jahres hatten Sie Ihren Vorsatz „mehr Bewegung“ noch im Kopf und waren zweimal beim Laufen. Dann kam auch schon der Alltag zurück. Die erdachten Freiräume sind wieder mit Verabredungen und Terminen voll. Keine Zeit also fürs Laufen. Der Vorsatz allein reicht offensichtlich nicht.

Doch es bleiben immer noch elf Monate Zeit, alles zum Besseren zu wenden. Mein Lauftipp zur Abhilfe des Problems: Führen Sie ein Lauftagebuch. Schreiben Sie Ihr absolviertes Training in einen Tageskalender. Verwenden Sie dabei den Kalender, in dem Sie auch alle anderen Termine notieren. Wenn Sie also morgen zum Laufen gehen, schreiben Sie am 26. 1. 07 zwischen all Ihren anderen Verpflichtungen „30 Minuten gelaufen“, das ist alles. So wird Laufen zum Alltag. Sie werden mir sicherlich Recht geben, dass ein einmaliger Eintrag „30 Minuten gelaufen“ noch kein Tagebuch ausmacht. Um die Sache mit Leben zu füllen, müssen tägliche Aufschriebe darin zu finden sein. Die einfachste Möglichkeit ist, dass Sie täglich laufen. Ohne große Anstrengung füllt sich Ihr Kalender. Schwarz auf Weiß sehen Sie das Geleistete: „Montag 30 Min. gelaufen, Dienstag 55 Min. gelaufen, Mittwoch 45 Min. gelaufen“ usw. Schreiben Sie das Wort „gelaufen“ aus.

Gönnen Sie sich als Einsteiger, Wiedereinsteiger oder Wiedereinsteigerwiederholer den Triumph, Ihren Vorsatz „mehr Bewegung“ tatsächlich umgesetzt zu haben. Deshalb schreiben Sie „gelaufen“ immer aus. Um sich beim Rückblick des Jahres besser an die vielen Läufe zu erinnern, sollten Sie unbedingt Ihre persönlichen Eindrücke zum Lauf notieren. In meinem Lauftagebuch steht am 18. 1. 07: 58 Minuten gelaufen, 12 Grad, Kyrill noch nicht in Sicht, nur ein leichter Luftzug, Stoiber hört auf, 5 Minuten schneller als sonst.

Mein Lauftagebuch enthüllt oftmals auch Falschmeldungen: Würden Journalisten auch eines führen, wären Meldungen wie „Klimakatastrophe: kein Schnee an Weihnachten“ nie zustande gekommen. Laut meinem Lauftagebuch gab es schon viele Weihnachten ohne Schnee.

Spätestens nach sieben hintereinander geschriebenen Ruhetagen müsste sich eine Art schlechtes Gewissen einstellen. Keine Angst, das gehört mit zum Plan. Entweder Sie stellen die Eintragungen ab diesem Zeitpunkt ein oder Sie gehen laufen. Ich kann Ihnen nur raten: Bleiben Sie dran, es lohnt sich. Vergessen Sie nicht, wichtige Informationen, wie Regen, Schnee, Sonne, Tagestemperatur, einzutragen. Somit sind Ausreden wie: „Wir hatten einen Meter Schnee, der Atem gefror an den Lippen, deshalb war an Laufen nicht zu denken“ nicht möglich.

Denn tatsächlich wird der Schneeeinbruch im Jahr 2007 nur zwei Tage dauern, die Temperatur selten unter 0 Grad sinken, und im Grunde waren Sie nur stinkefaul. Das schreiben Sie dann lieber nicht auf. So etwas liest dann Ihr „personal coach“ zwischen den Zeilen.

Ein Eintrag im Dezember 1985 zeigt das deutlich: 21. 12. 85: „Lehrgang Ebni – kurze Hose, Netztrikot – Tempo am Ochsenhau – die Jungs aus den Schuhen gelaufen!“ Das mit den Jungs, den Schuhen und dem Ochsenhau gehört nicht zum Wetter, ist aber eine erweiterte Form Ihrer Aufzeichnungen: Ihre persönliche Stimmung.

Morgen könnte dort stehen: „26. 1. 07, die taz gelesen, aufgesprungen und 30 Minuten gelaufen, ein super Beginn, tolles Gefühl, hätte ewig laufen können.“

Gute Vorsätze? kolumne@taz.de Morgen: Martin Unfried hat ÖKOSEX