Kulturkampf um afghanische Medien

Chef des afghanischen Fernsehens tritt aus Kritik an Politik des Informationsministeriums zurück

BERLIN taz ■ Der Direktor des staatlichen afghanischen Fernsehens (RTA), Najib Roshan, hat aus Protest gegen die Politik des Informationsministeriums sein Amt niedergelegt. Der Deutsch-Afghane, der lange in Aachen gelebt hat und den Sender seit 16 Monaten leitete, war mit Unterstützung der EU und Deutschlands dabei, das Staatsfernsehen in eine öffentlich-rechtliche Anstalt umzuwandeln.

In den letzten Monaten war ihm dies immer mehr erschwert worden, vor allem nachdem mit dem neuen Kultur- und Informationsminister Abdulkarim Chorram ein Islamist sein Vorgesetzter wurde. Der entließ ohne Konsultation 80 Fernsehmitarbeiter, die als Anhänger des TV-Chefs galten. Anfang Januar rückte er mit bewaffneten Leibwächtern an, um die Entlassenen persönlich aus dem Sender zu entfernen. In seinem Rücktrittsschreiben an Präsident Hamid Karsai, das der taz vorliegt, schreibt Roshan, er könne angesichts der „Wende in der politischen Atmosphäre des Landes und in der Medienpolitik“ seine Aufgabe nicht mehr erfüllen.

Die Auseinandersetzung ist Teil eines Kulturkampfes zwischen den Islamisten, die eine kontrollierte Medienlandschaft bevorzugen, und Anhängern der Pressefreiheit, für die Roshan steht. Die Islamisten führen diesen Konflikt von einer Position der Stärke aus. Sie sind bewaffnet und kontrollieren wichtige Schlüsselfunktionen. Chorram stammt aus der islamischen Partei Hisb-i-Islami, die sich gespalten hat: Während ein Flügel unter Altmudschahed Gulbuddin Hekmatjar bewaffnet Karsai und dessen ausländische Unterstützer bekämpft, kooperiert ein weiterer mit der Karsai-Regierung – manche Afghanen nennen das allerdings eine „Unterwanderung“.

Eine besondere Rolle spielt der neue Oberstaatsanwalt Abduldschabbar Sabet, ebenfalls ein Hisb-Mann. Im Herbst begann er eine Antikorruptionskampagne und ließ angeblich korrupte Beamte festnehmen. Sabet und seine Verbündeten konzentrieren sich aber vor allem auf „moralische Korruption“: Alkohol, Prostitution und unverschleierte Frauen im Fernsehen. Sabet wies chinesische Prostituierte aus und schloss Lokale mit genehmigtem Alkoholausschank.

Vor einer Woche nahm der Geheimdienst NDS einen TV-Journalisten fest wegen „Kontakten zur Opposition“, sprich: zu den Taliban. Der Journalist hatte sich geweigert, ein vorproduziertes NDS-Video über Pakistans Einmischung zugunsten der Taliban auszustrahlen und wollte zunächst auf der Gegenseite recherchieren. Sajed Fasel Sangcharaki, Vorsitzender der Nationalen Journalistenunion Afghanistans, bezeichnete diese Aktion als „ernsthafte Bedrohung der Meinungsfreiheit“. Er muss es wissen: Letztes Jahr trat er wegen der schleichenden Reislamisierung als Vizeinformationsminister zurück. THOMAS RUTTIG