„Lupenrein Berlusconi“

Dänemarks Ministerpräsident fordert Selbstzensur der Medien bei Berichten über militärische Aktion im Irak

Vor ziemlich genau einem Jahr verteidigte Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen leidenschaftlich die Pressefreiheit als das höchste Verfassungsgut. Damals ging es um den Mohammed-Karikaturenstreit.

Nun fordert derselbe Politiker Selbstzensur von den Medien – doch diesmal geht um Kritik an seiner Regierung, genauer gesagt, um das öffentlich-rechtliche Fernsehen DR, das der Regierungschef gerne an die Zügel nehmen möchte. In der Dokumentation „Der heimliche Krieg“ griff der Sender einen Vorfall auf, der sich bereits im März 2002 ereignet hatte. Im Afghanistan eingesetztes dänisches Militär hatte in einer Iranschule 31 junge Afghanen festgenommen und diese dann an die US-Truppen übergeben, unter deren Regie sie in der Folge schweren Misshandlungen und Folterungen ausgesetzt wurden. Rasmussen und seine Regierung wussten nach den im Film vorgelegten Beweisen darüber von Anfang an Bescheid. Doch machten sie mit Rücksicht auf den US-Verbündeten weder dieses Wissen öffentlich, noch versuchten sie, auf Washington wegen der Behandlung der Gefangenen einzuwirken. Juristen sprechen von einem klaren Bruch der Genfer Kriegsgefangenenkonvention durch Kopenhagen: Die dänische Verantwortung für die Festgenommenen habe nämlich nicht etwa durch deren Übergabe an die Militärs eines anderen Staates geendet.

Anstatt zumindest nachträglich bei einer Klärung der Vorwürfe mitzuwirken, startete die dänische Regierung eine Vernebelungsaktion. Wichtige Dokumente waren plötzlich verschwunden, und dem Militär wurde ein Maulkorb verpasst. Zusätzlich antwortete Rasmussen mit einem Gegenangriff. Am Donnerstag klagte er in Berlingske Tidende die Verantwortlichen des dänischen Fernsehens pauschal des Kampagnenjournalismus an. Tatsachen seien verfälscht und verdreht worden und es wäre wohl „angebracht, dass DR untersucht, wie man eigentlich mit Informationen umgeht“.

Ein Angriff auf die Pressefreiheit, der zu Selbstzensur führen könne, lautet nun der Vorwurf der Opposition und verschiedener Medienexperten gegenüber Rasmussen. Ein Vorwurf, der umso schwerwiegender sei, als der Ministerpräsident nach der dänischen Verfassung der oberste Hüter der Meinungsfreiheit ist. „Er muss das umgehend zurücknehmen“, fordert Helle Thorning-Schmidt, Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokraten. „Seine Stellung zu missbrauchen, um Medieninstitutionen zu drohen, ist äußerst verwerflich“, meint Medienwissenschaftler Jörgen Poulsen. Und Simon Emil Ammitzbøll, pressepolitischer Sprecher der Liberalen, urteilt: „Das ist lupenreiner Berlusconi-Stil.“

REINHARD WOLFF, STOCKHOLM