Wie gut muss ein Kabuler Polizist sein?

Wiederaufbaukonferenz in Berlin zieht gemischte Bilanz. EU übernimmt führende Rolle bei Polizeiausbildung, über deren Dauer seit langem gestritten wird. Bundesregierung verschiebt Beschluss über deutsche „Tornados“ auf nächste Woche

AUS BERLIN ANETT KELLER

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte auf der gestern zu Ende gegangenen Berliner Afghanistankonferenz davor, die Fortschritte beim Aufbau Afghanistans zu negieren. Das Parlament arbeite. Sieben Millionen afghanische Kinder gingen zur Schule. Er räumte jedoch ein, dass der Aufbau Afghanistans langsamer vorangehe als erhofft. Vor einem Jahr war mit dem sogenannten London-Compact ein ehrgeiziger Fünfjahresplan vereinbart worden – dessen Ergebnisse man in Berlin evaluieren wollte.

Steinmeier rief die afghanische Regierung zu mehr Verantwortung auf – und stieß damit auf Gegenkritik. Den Wiederaufbau bremse auch, dass seine Regierung zu wenig berücksichtigt worden sei, so der afghanische Außenminister Rangin Spanta. Kabul kontrolliere nur fünf Prozent der internationalen Gelder selbst, monierte Spanta unter Verweis auf die vielen internationalen Berater in seinem Land.

Ein zentrales Thema der Konferenz war der Aufbau der afghanischen Polizei. Deutschland hat als federführende Nation bislang 17.000 höhere Beamte ausgebildet. Insgesamt beträgt die Zahl der afghanischen Polizisten derzeit 62.000, sie soll demnächst um weitere 20.000 Polizisten steigen. Die deutsche Führungsrolle bei der Ausbildung soll im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft europäisiert werden. Im Februar werden die EU-Außenminister über die Entsendung einer Polizeitruppe beraten. Zwar diskutiert man in Brüssel noch über Ausgestaltung und Finanzierung der Mission. Hinter den Kulissen herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass eine gemeinsame Ausbildergruppe von rund 160 Polizisten im späten Frühjahr an den Hindukusch geschickt wird.

Nicht nur Aus-, sondern auch Weiterbildung wird auf dem Programm stehen. Denn die Amerikaner haben zwar Milliarden in die Polizeiausbildung gesteckt, mit ihren Crash-Kursen von wenigen Wochen jedoch auch viel Kritik auf sich gezogen. Ein Großteil der „Ausgebildeten“ sei nicht einsetzbar, da er nicht lesen und schreiben könne, monieren Kritiker. Von US-Seite wiederum wurde die deutsche Gründlichkeit spöttisch beäugt. Deutschland habe drei Jahre vertan, ohne eine effektive Polizei aufzubauen, ließen sich jüngst amerikanische Sicherheitsfachleute zitieren. Das Auswärtige Amt wiegelte ab, interessierte Kreise würden derartige Anschuldigungen bewusst streuen.

In Berlin hatten beide Seiten zur Charmeoffensive gerufen. „Die Deutschen haben sehr, sehr gute Arbeit in Afghanistan geleistet“, sagte US-Unterstaatssekretär Richard Boucher. „So kurzfristig ist das amerikanische Konzept nun auch wieder nicht“, lobte ein deutscher Diplomat zurück. Beide Konzepte würden erfolgreich verbunden. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll“, sagt hingegen die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Citha Maass. „Wenn wenigen nachhaltig ausgebildeten Polizeioffizieren eine große Masse an Analphabeten gegenübersteht, dann kann man nicht von einer funktionierenden Verbindung beider Konzepte sprechen.“

Während Steinmeier auf der Konferenz wiederholt betonte, dass die zivile Komponente des Wiederaufbaus stärker betont werden müsse, verschob die Bundesregierung die Entscheidung über die Entsendung deutscher „Tornados“ in den Süden Afghanistans auf den 7. Februar. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte gestern in Berlin, es gebe Einvernehmen, „hierfür die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen“. Die Entsendung der „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge solle in einem eigenständigen Mandat festgelegt werden.