Postenschacher im Europaparlament

Ausschussvorsitzende und ihre Vizes werden neu gewählt. Das sorgt vor allem bei den Konservativen für Ärger

BRÜSSEL taz ■ Im Europäischen Parlament wird heute „Reise nach Jerusalem“ gespielt. Die Vorsitzenden der Ausschüsse und ihre Stellvertreter müssen zur Halbzeit der Legislaturperiode neu gewählt werden. Vor allem in der Konservativen Fraktion (EVP) ist der Pöstchenproporz ein wenig durcheinandergeraten. Der deutsche CDU-Abgeordnete Hans-Gert Pöttering wurde schon Mitte Januar zum neuen Präsidenten des Hauses gewählt. Die polnischen Abgeordneten in der EVP fühlten sich zurückgesetzt, weil sie weder einen Vizepräsidenten noch einen anderen prestigeträchtigen Posten abbekamen.

Daraufhin meldeten sie ihren Anspruch auf den zwar machtlosen, aber öffentlichkeitswirksamen Auswärtigen Ausschuss an. Dem sitzt seit acht Jahren der leibesumfängliche und wortmächtige Elmar Brok vor, der diesen Posten jedoch keinesfalls räumen wollte.

Parlamentarier berichten, der polnische Premierminister Jarosław Kaczyński habe persönlich interveniert – auch sein österreichischer und Luxemburger Kollege sollen in den Wandelhallen bei dem Versuch gesichtet worden sein, die Chancen ihrer Landsleute auf einen Platz auf einer Präsidiumsbank zu verbessern. Italiens früherer Premierminister Silvio Berlusconi soll sich eingeschaltet haben, um einem Landsmann den Justizausschuss zu sichern.

Mit Überraschungen ist heute nicht mehr zu rechnen, denn Kampfabstimmungen soll es nicht geben. Nur im Verkehrs- und im Kulturausschuss wird es spannend. Dort haben sich Mitglieder der neuen rechtsextremen Fraktion um Vizepräsidentenposten beworben. Die anderen Fraktionen wollen das nicht kampflos hinnehmen. Gestern Nachmittag wurde noch heftig darüber debattiert, welche Taktik erfolgversprechend sein könnte.

Die Posten unbesetzt zu lassen wirft rechtliche Probleme auf. Geht ein Gegenkandidat ins Rennen, wäre damit ein Präzedenzfall geschaffen, den die großen Fraktionen fürchten. Bislang wurden alle Posten vorab entsprechend der Fraktionsgröße ausgehandelt. Wird nun erstmals in zwei Ausschüssen nach demokratischen Spielregeln abgestimmt, könnten die Abgeordneten vielleicht auf den Geschmack kommen.

Dann wäre der gemütliche Postenschacher hinter den Kulissen, bei dem EVP und Sozialisten bislang die besten Plätze unter sich aufteilten, wohl vorbei. Für den grünen Abgeordneten Michael Cramer war allerdings schon gestern klar: Egal wie die Debatte ausgeht – der Italiener Luca Romanoli, der Mussolini eine Menge gute Seiten abgewinnen kann, wird seine Stimme als Vizepräsident des Verkehrsausschusses auf keinen Fall bekommen.

In der EVP fühlen sich ohnehin schon viele als Verlierer. Elmar Brok muss den Auswärtigen Ausschuss an den Polen Jacek Saryusz-Wolski abgeben. Karl-Heinz Florenz räumt den Vorsitz im Umweltausschuss für den Tschechen Miroslav Ouzky.

Dafür kommen zwei andere Deutsche zum Zug: Reimer Böge leitet künftig den einflussreichen Haushaltsausschuss und Angelika Niebler den Industrieausschuss. Für Brok und Florenz ist das jedoch nur ein schwacher Trost. Sie müssen in Zukunft in dem überfüllten Parlamentsgebäude mit viel weniger Platz auskommen. Während Ausschussvorsitzenden drei Räume zustehen, erhält jeder einfache Abgeordnete nur ein Minizimmer für sich selbst und einen kleinen Vorraum für die Mitarbeiter und Praktikanten.

DANIELA WEINGÄRTNER