Polizisten posieren mit Dink-Mörder

Video, das den mutmaßlichen Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink beim Posieren mit Polizisten vor der türkischen Flagge zeigt, empört die Gemüter. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen „Verherrlichung einer Straftat und eines Straftäters“

AUS ISTANBULDILEK ZAPTCIOGLU

Ein Skandalvideo sorgt in der Türkei nach dem Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink für Wirbel. Es zeigt den mutmaßlichen Attentäter Ogün S. beim Posieren mit Polizisten. Hinter ihm an der Wand hängt ein Plakat der türkischen Umweltstiftung Tema. Das Plakat besteht aus der roten türkischen Fahne, oben in der Ecke ist der Republikgründer Kemal Atatürk mit den Worten zitiert: „Die vaterländische Erde ist heilig. Sie kann nicht ihrem Schicksal überlassen werden.“ Wegen der „Erinnerungsfotos“ leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen „Verherrlichung einer Straftat und eines Straftäters“ ein.

Das Video war vorgestern Nacht auf dem Fernsehkanal TGRT ausgestrahlt worden, dessen Redaktion dem islamistischen Sektenführer Fethullah Gülen nahe stehen soll. Der Sender behauptete, dass es in Armeeräumen aufgenommen sei. Damit entflammte in der Türkei erneut die Diskussion über den sogenannten „Deep State“ innerhalb des Staates. Die Polizei soll durch die Gülen-Sekte unterwandert sein und sich mit der Armee im Clinch befinden.

Das Polizeipräsidium gab gestern eine scharfe Erklärung ab und dementierte die Behauptung, dass der mutmaßliche Mörder von der Armee hofiert worden sei. Es stellte sich zum Schluss heraus, dass das Video tatsächlich nichts mit der Armee zu tun hat. Es wurde in der Teestube des Polizeipräsidiums in Samsun am Schwarzen Meer gedreht, wo Ogün S. gefasst wurde. Offenbar schickten Unbekannte das Video an den Fernsehkanal, um die laizistische Armeeführung zu diskreditieren.

Diskreditiert hat das Attentat vor allem die Regierung, der die Bürger inzwischen Ohnmacht und Untätigkeit vorwerfen. Auch zwei Wochen nach dem Attentat sind die genauen Umstände des Mordes nicht klar. Die Opposition verlangt den Rücktritt des Innenministers Abdülkadir Aksu. Ministerpräsident Tayyip Erdogan will aber im Wahljahr zu seinem kurdischen Kabinettsmitglied halten, das ihm viele kurdische Stimmen verspricht. Obwohl Erdogan behauptet, bei den Ermittlungen über die Drahtzieher „bis zum bitteren Ende“ gehen zu wollen, hat er seine Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Die Nachricht, dass der Nobelpreisträger Orhan Pamuk das Land offenbar für längere Zeit verlassen hat, hat die türkische Presse weitgehend teilnahmslos abgedruckt. Leitartikler Fatih Altayli warf dem Schriftsteller indes vor, mit seiner Flucht „dem Ansehen der Türkei immens geschadet“ zu haben. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat gestern die Türkei aufgefordert, alles für die Sicherheit des Literaturnobelpreisträgers zu tun. Insgesamt 18 Journalisten, unter anderem der Chefredakteur des Massenblattes Hürriyet, stehen seit dem Attentat unter Personenschutz.