„Klimaschutz gehört schon zum guten Ton“

Die deutsche Wirtschaft entdeckt langsam den Klimaschutz, sagt die Analystin Evelyn Bohle – „nicht nur aus Imagegründen“. Die Telekom ist dabei top, Energieriesen wie RWE und Eon gehören zu den Flops

taz: Frau Bohle, Sie analysieren im Auftrag von Finanzinvestoren auch die Klimaschutzstrategie von börsennotierten Konzernen. Ist der Klimawandel schon in den Köpfen der deutschen Manager angekommen?

Evelyn Bohle: Zumindest gehört es in Deutschland mittlerweile zum guten Ton, sich auch um den Klimawandel und den Treibhausgasausstoß zu kümmern. Die Briten sind zwar immer noch Vorreiter. Shell und BP zum Beispiel sehen den Klimaschutz auch als Chance zum Geldverdienen. Das hört man hier noch selten. Aber die deutschen Firmen ziehen langsam nach.

Sie werden also mit offenen Armen empfangen, wenn Sie ein Unternehmen analysieren wollen?

Wir werden sehr ernst genommen. Und manche Unternehmen sind sogar sehr interessiert daran, von uns bewertet zu werden. Das hat nicht nur Imagegründe.

Sind denn ökologisch ausgerichtete Anleger eine so wichtig Zielgruppe für die Unternehmen?

Sie sind eine stark wachsende Gruppe. Wir haben es also nicht mehr, wie noch vor etwa fünf Jahren, mit einer Nische zu tun. Auch ganz konventionelle Investoren interessieren sich mittlerweile für Nachhaltigkeitsratings.

Warum?

Weil Unternehmen, die ökologische und soziale Standards wichtig nehmen, auch wirtschaftlich als erfolgreich gelten. Es gibt Studien, die das belegen. Wenn ein Unternehmen sich nachhaltig verhält, entwickelt es sich langfristig auch finanziell besser.

Na dann – wer sind die Öko-Tops?

Die Deutsche Telekom ist sehr gut. Ihre Netze und Computer brauchen viel Strom. Schon deshalb hat das Unternehmen ein hohes Interesse an einem effizienteren Umgang mit Energie. Ihre Nachhaltigkeitsabteilung ist vergleichsweise groß, und der Chef ist sehr engagiert. Entsprechend wirksam sind die Anstrengungen, den CO2-Ausstoß zu vermindern. Auch die Münchener Rück nimmt als Versicherung der Versicherer den Klimawandel sehr ernst. Schließlich bietet sie ja Produkte für Flut- und Sturmschäden an.

Und wo sitzen die Dinosaurier?

RWE und Eon haben einen großen Nachholbedarf. Sie verfügen wegen des Emissionshandels zwar mittlerweile über die entsprechenden Strukturen, haben aber wegen ihrer Kohlekraftwerke noch sehr viel zu tun. Auch bei den Automobilherstellern besteht Verbesserungsbedarf. Sie verweisen gerne auf allgemeine Absichtserklärungen der Branche und effizientere Produktionen. Mit konkreten Klimaschutzstrategien halten sich viele Autobauer aber zurück.

Wer hinkt sonst beim Klimaschutz hinterher?

Was die Entwicklung konkreter Strategien betrifft, steckt auch der Transport- und Logistikbereich noch in den Kinderschuhen. Die Branche verweist meist auf die Verantwortung der sehr energieintensiven Unternehmen, während sie sich selbst mit ihrem Einsatz bei Klimaschutz und Emissionshandel zurückhält. Ein gutes Beispiel dafür ist der Verband der Europäischen Fluglinien.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH