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: Der patriotische Einsatzverweigerer

Als am Morgen des 1. Januar 2006 das Telefon klingelte, dachte seine Mutter zunächst, ihr Sohn Ehren wolle ihr ein gutes neues Jahr wünschen. Was er ihr stattdessen ankündigte, entsetzte sie. Ehren rief aus Fort Lewis, einer Militärbasis im nordwestlichen US-Staat Washington an, wo er als Artillerieoffizier in der US Army diente. Ehren, 28, erklärte seiner Mutter, dass er gegen den Irakkrieg sei, dass er sich vom US-Präsidenten betrogen fühle und dass er sich dem Befehl zum Abmarsch in den Irak widersetzen werde, weil der von den USA angezettelte Krieg schlichtweg „illegal und unmoralisch“ sei.

Inzwischen steht Carolyn Ho voll hinter ihrem Sohn und wird heute helfen, Proteste vor den Toren von Fort Lewis zu organisieren. Denn dort beginnt vor dem Militärgericht der Prozess gegen den ersten Berufsoffizier der US-Armee, der den Dienst im Irak verweigert, Lieutenant Ehren Watada.

Der Fall könnte weit über Watadas Anliegen hinaus bedeutend werden. Denn das Verfahren wird zeigen, wie weit das US-Militär es zulässt, dass Offiziere einem Befehl widersprechen, und inwieweit sie mit Kritik dem Obersten Befehlshaber, also dem Präsidenten, den Gehorsam aufkündigen. Das Verteidigungsministerium sieht die Sache naturgemäß sehr eng und argumentiert, dass kein Soldat sich seine Mission aussuchen könne. Das sei der Anfang vom Ende, denn wenn sich jeder seinen Krieg aussuche, dann breche die Kommandostruktur zusammen. Das Pentagon behauptet zudem, dass, wer zum Militär geht, sein Recht auf uneingeschränkte Meinungsfreiheit aufgibt.

Watadas Einsatzverweigerung ist sehr ungewöhnlich in einem Land, in dem es eine Berufs- statt einer Pflichtarmee gibt. Dem Offizier aus Hawaii droht nun eine Anklage wegen Befehlsverweigerung und schlechter Führung, weil er behauptet, Präsident George Bush habe die Bürger getäuscht. Zwei Punkte wurden bereits fallengelassen, dennoch drohen Watada bis zu vier Jahren Haft.

Der Offizier, ein glühender Patriot, der schon als Boy Scout Sinn für Disziplin und Loyalität hatte und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unbedingt zur Armee wollte, hat einfach nur das getan, was ihm sein einstiger Vorgesetzter riet: nämlich sich bestens auf den Einsatz vorbereitet. Nur so, hatte Watada gelernt, könne man als Offizier überzeugend führen. Watada las dann alles über den Irakkrieg, die Kongressberichte, den Kommissionsbericht über die Suche nach den Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins – und kam nach einer kurzen Depression zu dem Schluss, dass „der Kongress, die Generäle und der Präsident eine Gefahr für die US-Verfassung“ sind.

ADRIENNE WOLTERSDORF