STAAT UND VEREINE MÜSSEN SICH IN ITALIENS STADIEN DURCHSETZEN
: Die hässlichste Liga Europas

Für „die schönste Liga der Welt“ halten viele Italiener ihre Fußball-„Seria A“. Nicht umsonst: AC oder Inter Mailand, Juventus Turin oder der AS Rom stehen für Weltklasse-Fußball. Erst im letzten Sommer holte Italien seinen vierten Weltmeistertitel.

Jetzt aber eroberte sich das Land ein neues, trauriges Primat: Nach dem Tod eines Polizisten am Rande des Spiels Catania – Palermo wurde der Spielbetrieb im ganzen Land eingestellt. Kein anderer Verband in Europa musste je zu einer solch drastischen Maßnahme greifen. Realistische Alternativen gab es nicht: Innenminister Giuliano Amato hatte kategorisch erklärt, ohne eine radikale Kehrtwende im italienischen Fußball werde er seine Polizisten „nie wieder“ in die Stadien schicken.

Gleich zum zweiten Mal in nicht einmal einem Jahr macht so der italienische Fußball von sich reden als die vielleicht hässlichste Liga Europas. Erst war da der Megakorruptionsskandal um Juventus-Turin-Manager Luciano Moggi und die systematisch verschobenen Meisterschaften. Und jetzt wird die verbreitete Gewalt in und vor den Stadien auf die denkbar traurigste Weise zum Thema: durch den Tod eines Polizisten, der wie jedes andere Wochenende auch in die Schlacht gegen entfesselte Hools ziehen musste.

Bloß: Wie soll die radikale Kehrtwende aussehen? In Italien wird jetzt der Ruf nach „Sondergesetzen“ laut, nach „strengen Strafen“, nach „britischen Methoden“ im Umgang mit den Ultras. Nur: Das ist nicht eben neu. Immer wieder in den letzten Jahren wurden Gewalt, rassistische Hetze in und der Dauerkrieg vor den Stadien Thema nicht bloß der politischen Debatte. Gleich fünf „Sondergesetze“ verabschiedete das italienische Parlament. Doch die verbotenen antisemitischen Spruchbänder sind immer noch in den Stadien zu sehen, die streng untersagten Sprengkörper werden mit derselben Leichtigkeit auf die Ränge geschmuggelt, die Fankurven bleiben off limits für die Polizei. Italien braucht ganz gewiss keine neuen Gesetze. Es wäre mehr als genug, wenn Staat und Vereine endlich die bestehenden Normen zur Anwendung brächten. MICHAEL BRAUN