Mahnwache für Hatun

Zwei Jahre nach dem „Ehrenmord“ an Hatun Sürücü treffen sich Freunde und Politiker am Tatort. Türkische Vereine bleiben der Gedenkfeier fern. Bürgermeister Band und Grüne fordern Gedenktafel

VON ROMAN SCHMIDSEDER

Noch einen Tag zuvor erinnerte nichts an den tragischen Abend vor zwei Jahren: keine Hinweise auf den „Ehrenmord“ an Hatun Sürücü, nur ein graues Eckhaus, eine kleine Hecke, eine Regenrinne. Nun liegen hier am Oberlandgarten Blumen, auch ein persönlicher Brief erinnert an das Opfer. Rund fünfzig Menschen versammelten sich gestern, um der ermordeten kurdischstämmigen Berlinerin zu gedenken. Sie legten am Oberlandgarten Kränze nieder – begleitet von einem Tross an Fotografen und Kamerateams.

Sürücü wurde am 7. Februar 2005 von ihrem jüngsten Bruder erschossen. Die 23-Jährige wollte nicht nach den konservativen Wertvorstellungen ihrer Familie leben. Sie verweigerte eine arrangierte Ehe mit einem Cousin aus der Türkei und zog ihren Sohn alleine auf – das reichte als Grund.

Landespolitiker, auch Freunde und Bekannte Sürücüs trafen sich zur knapp einstündigen Veranstaltung und sprachen über das Opfer. Für Aufregung sorgte der Auftritt eines „Familienbetreuers“ der Hinterbliebenen Sürücüs. Dieser erzählte von der Trauer der Eltern und Geschwister Hatuns. Viele empfanden die Ansprache als Beleidigung des Opfers, denn sie machen die Familie selbst für den Tod verantwortlich. „Zynisch und makaber“ nannte Franziska Eichstädt-Bohlig, grüne Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, den Auftritt: „Die Familie hat deutlich die Tat geplant“, so die Politikerin zur taz. Während seiner Rede verließ sie den Kreis der Mahnwache-Teilnehmer.

Enttäuscht zeigte Eichstädt-Bohlig sich auch vom Fernbleiben türkischer und muslimischer Organisationen. „Man muss mit diesen Vereinigungen das Gespräch suchen, aber auch sie sind aufgerufen, für demokratische Rechte einzutreten.“

Ein Kurde, der am Rande des Schauplatzes mit seiner Tochter steht, nennt die Tat „tragisch“. Ob die Frauen Kopftuch tragen oder nicht, ist ihm schlichtweg egal. Eine ältere Deutsche ist zur Gedenkfeier gekommen, weil sie „mit Entsetzen über den Mord gelesen“ habe. „Als Berliner Bürger“ müsse man da etwas tun. Eine Sozialarbeiterin aus Neukölln sieht den einzigen Ausweg in einer „Annäherung zwischen Deutschen und Ausländern“.

Die Kioskbetreiberin Elisabeth Meschter, eine Freundin der Ermordeten, zeigte sich gerührt von der Veranstaltung: „Schön, dass etwas gemacht wird.“ Sie beschäftigen die Ereignisse von jenem Februartag vor zwei Jahren noch immer: Sie war „entsetzt“, als sie vom Tod ihrer Freundin, die sie als „temperamentvoll, lustig und freundlich“ beschreibt, hörte: „Wir sprechen noch heute viel darüber.“ Tabu war allerdings das Verhältnis zu ihrer Familie. Sie habe nie über ihre Verwandten gesprochen, so Meschter.

Traurig findet die Kioskbetreiberin, dass die hinterlegten Blumen meist am nächsten Tag wieder weg seien – und dass es immer noch keine Gedenktafel gebe. Eine solche fordert auch die Grüne Eichstädt-Bohlig. Sie kann sich längerfristig gar eine Straße zu Ehren der Ermordeten vorstellen. Bürgermeister Ekkehard Band, ebenfalls Redner bei der Mahnwache, unterstützt die Idee einer Gedenktafel. Am heutigen Donnerstag werde sich der Frauenausschuss damit beschäftigen, sagte Band, das Denkmalamt müsse allerdings noch zustimmen. Dann würde die graue Ecke am Oberlandgarten auch künftig an den „Ehrenmord“ erinnern, der an Hatun Sürücü am 7. Februar 2005 begangen wurde.