Drei Männer spielen Scarlett

Einen Hollywood-Mythos schlachten: Die Komödie „Mondlicht und Magnolien“ im Renaissance-Theater

Was geschieht, wenn drei Männer eine Woche lang in ein Büro gesperrt werden mit nichts als Bananen und Erdnüssen? Und der Aufgabe, aus einem Roman von über 1.000 Seiten ein Drehbuch zu machen? Mindestens einer müsste danach tot sein. Sollte man meinen. Nicht in „Mondlicht und Magnolien“, Ronald Hutchinsons Stück über die abenteuerliche Entstehung des Kassenschlagers „Vom Winde verweht“, das Tina Engel für das Renaissance-Theater inszeniert hat. Hier blicken die drei Helden am Ende zwar in den Abgrund des Wahnsinns, legen aber ein fertiges Drehbuch vor.

Tatsächlich wurden bei der Filmproduktion von Margret Mitchells legendärem Liebesdrama drei Regisseure und mehrere Drehbuchschreiber verschlissen. Die Steigerung der Kosten hat Kinogeschichte geschrieben. Diese Legende spitzt der britische Dramatiker in seinem Stück zu und vermischt sie mit den Handlungselementen des Films.

„Ich habe das Buch nicht gelesen“, so lernen wir den Drehbuchautor Ben Hecht kennen, als er ins Büro des Produzenten bestellt wird. „Nur die erste Seite. ‚Mondlicht und Magnolien‘, ich bitte dich!“ Auf diese Schmonzette hat der Starschreiber wirklich keine Lust, doch die Dreharbeiten sollen in einer Woche beginnen, der Produzent Selznick hat ein Vermögen investiert. Er holt den Regisseur Fleming, der gerade den „Zauberer von Oz“ mit Judy Garland dreht, in sein Büro, verschließt die Tür und zwingt ihn, die wichtigsten Szenen aus dem Südstaatendrama nachzuspielen. Bis zum Nervenzusammenbruch.

Drei Männer spielen Scarlett und kriegen sich darüber in die Haare: Das ist das solide komödiantische Potenzial von Hutchinsons Komödie. Doch so richtig geht der Schuss nicht los im Renaissance-Theater. Kaum öffnet sich der Vorhang, schon ist der Verlauf vorhersehbar. Die Ausstattung ist Realismus in Reinform. Werner Hutterlis Bühne spiegelt das Jugendstilambiente des Zuschauersaals. In der Mitte prangt ein dicker Schreibtisch mit schwarzem Telefon, dessen Hörer der Schauspieler Jürgen Tarrach mit Furor auf die Gabel schmeißt, wie man das von einem pomadig polternden Hollywood-Produzenten so erwartet.

Boris Aljinovic trägt als Ben Hecht tatsächlich Knickerbockers und karierte Strümpfe, blickt mit Woody-Allen-hafter Blasiertheit durch seine Hornbrille und weigert sich, Scarlett ihrer schwarzen Sklavin eine scheuern zu lassen, was in einer Ohrfeigenorgie mündet. Miss Poppenghul (Barbara Kowa), die naturgemäß blonde Sekretärin, trägt Perlen und sagt „ja, Herr Selznick, nein, Herr Selznick, natürlich, Herr Selznick“ und füllt die Erdnüsschen nach, mit denen sich das Männertrio bewirft.

Auch wenn der Text nicht nach Tiefgang verlangt, hätte man von der Regisseurin Tina Engel, bekannt geworden als Schaubühnen-Schauspielerin unter Peter Stein, mehr Eleganz in der Komik erwartet. Gleichförmig flutschen die Pointen, und trotz der starken Besetzung der Männer, die aus Fernsehrollen alle reichlich bekannt sind, fehlen die nötigen Brüche, um den Witz über die Dauer von anderthalb Stunden zu steigern. Schon zu Beginn des zweiten Akts schleppt sich Aljinovic demonstrativ entkräftet zur Schreibmaschine, und Guntbert Warns liegt mit Presswehen auf dem Boden – er spielt den Regisseur Fleming, der wiederum Scarletts gebärende Cousine mimt. Bevor sich hinter der gelben Gardine, die eher zu einem Teesalon als ins Büro eines Hollywood-Produzenten der 30er-Jahre passen würde, die Morgenröte von Tara abzeichnet und die berühmte Ouvertüre erklingt, ist der letzte Hauch von Komik zerstoben. So viel Klischee erträgt selbst der Boulevard nicht.

IRENE GRÜTER

Weiter im Renaissance-Theater ensuite, im Februar und März