Schnäppchen Content

Axel Springer hat neue Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter formuliert: Mehrmals nutzen, einmal zahlen

In den Zeitungen wird viel geschrieben, wenn der Tag lang ist – das Gleiche gilt für die hinzugekommenen Online-Auftritte. Der „Content“ wird mittlerweile meistens von freien JournalistInnen geliefert.

Die Axel Springer AG, einer der größten Brötchengeber der Branche, hat seine Freien nun Anfang des Jahres mit neuen „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB) beglückt, die zusammen mit den Honorarabrechnungen ins Haus flatterten: Gemäß der neuen Honorarbedingungen für JournalistInnen und FotografInnen muss Springer bei einer mehrfachen Nutzung von Fotos oder Texten keine zusätzliche Vergütung zahlen. Dies könnte bedeuten, dass eine eher unbedeutende Publikation des Verlages ein Foto für 100 Euro erwirbt und druckt, das dann am übernächsten Tag auf Seite eins der Bild-Zeitung erscheint – ohne dass der Fotograf gefragt wird und ohne zusätzliches Honorar.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte daraufhin Ende Januar eine Resolution verfasst, die den Verlag zieh, die Abhängigkeit seiner Freien auszunutzen: „Die Axel Springer AG hat ihre Honorarbedingungen auf Kosten der Freien runderneuert.“ Laut DJV-Sprecher Hendrik Zörner habe Springer bisher nur auf die laufenden Verhandlungen zwischen dem Bund der Deutschen Zeitungsverleger und den Journalistengewerkschaften verwiesen. Der DJV prüft derweil weitere, auch juristische Schritte: „Vielleicht sollte sich Herr Döpfner mal mit den Gewerkschaften an einen Tisch setzen.“ Das müsste dann ein ziemlich großer Tisch sein, denn dem Protest angeschlossen haben sich unter anderem Ver.di und der Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Fotoarchive (BVPA). Sie fordern eine Aussetzung der neuen Honorarregelungen.

Der Verein der FotojournalistInnen „Freelens“ hat derweil über 500 Widersprüche gegen die neuen AGBs gesammelt und dem Verlag überstellt – die Regelungen gelten nur, wenn sie widerspruchslos akzeptiert werden. „Freelens“-Geschäftsführer Lutz Fischmann verweist jedoch auf das Beispiel der Berliner Tageszeitung Tagespiegel: Dieser hatte erworbene Fotos ohne zusätzliche Vergütung im Internet abgedruckt, die diesbezügliche Klage läuft noch. „Seit der Klage verschickt auch der Tagespiegel AGBs, und wer die nicht akzeptiert, kommt auf die schwarze Liste.“

Der Springer-Verlag verschickt derzeit Briefe an die Protestierenden. Alles gar nicht so schlimm, heißt es dort: „Selbstverständlich halten wir uns an die geltenden Gesetze und honorieren angemessen.“ Eine Stellungnahme von Springer gegenüber der taz erfolgte bis Redaktionsschluss nicht, gegenüber dem Medienfachdienst Kress bezeichnete eine Unternehmenssprecherin die Proteste als „üble Stimmungsmache der Gewerkschaften mit dem Ziel, freie Journalisten zu verunsichern“.

Springer steht, wie auch das Beispiel Tagesspiegel zeigt, mit seinem Ansinnen nicht alleine da, auch Gruner + Jahr versucht laut DJV, durch unentgeltliche Mehrfachnutzungen die „Content“-Kosten zu drücken. Es wird immer mehr geschrieben, wenn der Tag lang ist. Aber es soll aus Sicht der Verlage immer weniger kosten. MARTIN REICHERT