In Sole schweben

Floaten baut Stresshormone ab und führt zu tiefer Entspannung. Davon profitieren sogar Menschen mit Schmerzen und zu hohem Blutdruck

VON ANGELIKA FRIEDL

Der Tank sieht gut aus: Ein großes Wannenbad mit über zwei Meter Durchmesser und hoher Decke. Auf Wunsch ertönt Musik – auch mit CD zum Superlearning – und wer will, kann eine ganze Stunde lang im dämmrigen Licht schweben. In einer körperwarmen Sole-Lösung – 800 Kilogramm Magnesiumsulfat auf 1.200 Liter Wasser – floaten, wie es auf Neudeutsch heißt.

Entspannung pur, versprach Regine Hockwin-Thalmann vom Self-Wellness-Institut am Lützowplatz den Neulingen bei der Einführung. Wir sollen uns hineintragen lassen, sagte sie, nach zwanzig Minuten würden wir in Trance fallen. Der Nacken sperrt sich aber noch, der Kopf hebt sich immer wieder, er traut dem Frieden nicht recht. Doch ganz langsam entspannt sich der Körper, die Ohren versinken im Nass, nur das Gesicht bleibt tatsächlich frei. Das Wasser nimmt alle Schwere. Wie von unsichtbaren Händen getragen fließt der Körper ins Nirgendwo. Irgendwann verwandeln sich die Gedanken in ferne Planeten. Der Müll im Kopf ist verschwunden, eine erfrischende Klarheit breitet sich aus.

Besucher von Float-Centers berichten von ganz unterschiedliche Erfahrungen. Manche schlafen einfach ein, manche sehen Blitze und Farben, andere hören Stimmen. Aber keiner hat bislang den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Flotation-REST (Restricted Environmental Stimulation Technique) nennt sich das Verfahren, das auf Reizentzug beruht. Der amerikanische Neurophysiologe John Lilly entwickelte es in den 1950er Jahren. Er wollte herausfinden, ob das Gehirn auch ohne äußere Reize bewusste neuronale Aktivitäten zeigt. Universitäten und die US-Raumfahrtbehörde Nasa interessierten sich für seine Forschungen und nutzten seinen Isolationstank unter anderem zur Stressreduktion. In den 60er Jahren hofften vor allem Esoteriker, mit oder ohne Drogengenuss, auf Erleuchtung aus dem Tank. Damals entstand auch der Name Samadhi-Tank, wobei „samadhi“ ursprünglich nicht Erleuchtung, sondern Versenkung bedeutet.

Vier Float-Centers gibt es mittlerweile in Berlin, und auch in anderen deutschen Städten breiten sich immer mehr Floatwannen aus. Neben Stressabbau und Entspannung versprechen die Anbieter zahlreiche andere medizinische Wohltaten. Zur Stressreduktion ist der Samadhi-Tank jedenfalls bestens geeignet: Verschiedene Studien ergaben, dass Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol während der Liegezeit im Tank abnehmen. Auch Patienten mit Bluthochdruck profitieren, wie US-Wissenschaftler vom Medical College in Ohio herausfanden. Nach einer Serie von Behandlungen fiel der Blutdruck dauerhaft ab. Segensreiche Wirkungen hat der Tank auch auf Schmerzpatienten. Sie leiden weniger unter Schmerzen, auch viele Stunden nach den Bädern. Bei rund einem Fünftel der Teilnehmer einer Studie der Karlstad Universität in Schweden verschwanden die Schmerzen ganz. Ursache ist wahrscheinlich die tiefe körperliche Entspannung und der Abbau des Stresshormons Noradrenalin. Auch kognitive und kreative Fähigkeiten lassen sich vermutlich durch einen Reizentzug steigern, darauf verweisen Untersuchungen der Universität von Colorado. Ein Anstieg der Theta-Wellen im Gehirn, die sonst im Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen auftreten, soll dafür verantwortlich sein. Positive Wirkungen hat das Floaten angeblich auch bei Rheumatikern und auf Menschen, die an Depressionen und Angstzuständen leiden.

Nach einer Stunde blinkt das Warnlicht mehrmals. Schade, die Sitzung ist zu Ende, also raus aus dem Uterus und zurück in die raue Wirklichkeit. Die Haut fühlt sich weich und ölig an, nicht schrumpelig wie sonst, wenn man zu lange in der Badewanne gelegen hat. Jetzt die Sole gründlich abduschen und die Pofalten nicht vergessen, weil hier die Sole besonders gerne drückt. Insgesamt ein geglückter Selbstversuch. „Bisher haben mir nur fünf Leute erklärt, dass das nichts für sie wäre“, berichtet Hockwin-Thalmann. Heute verlässt jedenfalls eine zufriedene Kundin die Wellness-Oase, so wie schon hunderte Besucher vor ihr. Ganz billig ist das Vergnügen aber nicht, 40 Euro kostet Floaten zum Vorzugspreis im Winter. Paare zahlen 75 Euro. Aber wer will schon schweben und dabei ständig an jemand anderen stoßen?

Weitere Infos: www.self.de