„Tal der Wölfe“ dicht

Sendeverbot für umstrittene nationalistische TV-Serie sorgt für erhitzte Debatte in der Türkei. Denn der Held kämpft gegen eine fiktionale PKK

AUS ISTANBUL DILEK ZAPTCIOGLU

Die Hotline stürzte ab, die Empörung der Zuschauer schlug hohe Wellen: Das diese Woche verhängte Sendeverbot für die umstrittene Fernsehserie „Das Tal der Wölfe“ („Kurtlar Vadisi“) sorgt in der Türkei für große Aufregung. Am Donnerstag lief statt der zweiten Folge der nationalistischen Serie, die von Kritikern auch als anti-kurdisch gewertet wird, eine Doku. Seit zwei Tagen protestieren ZuschauerInnen gegen das Verbot durch den Hohen Rundfunkrat, die türkische Fernsehaufsicht.

Die Absetzung von „Tal der Wölfe“ war im Vorfeld vom oppositionell-intellektuellen „Friedensverein“, aber auch von kurdischer Seite durch organisierte Kampagnen befördert worden. Die Aufregung ist groß, schließlich erreichte die erste Folge jeden zweiten Haushalt im Land und damit rund 30 Millionen Menschen. „Kurtlar Vadisi“ ist auch bei Türken in Deutschland ein Renner.

In der zweiten Staffel mit dem schlichten Titel „Terror“ geht es weiter um die Kurdenfrage. Der Serienheld Polat Alemdar operiert nun nicht mehr verdeckt für den Staat, nachdem er in der ersten Staffel als Agent entlarvt und von seinen Chefs alleine gelassen worden war. Er bildet jetzt mit seinen Männern eine Art ehrenwerte Gemeinschaft: Es geht um Engagement für die Schwachen – und die Verteidigung des Vaterlandes.

Polat trifft auf eine leidgeplagte Mutter als Sinnbild für die Heimat schlechthin: Der eine Sohn fiel als Mitglied der „Organisation“ – gemeint ist natürlich die PKK – im Kampf gegen die türkische Armee. Der zweite starb im Militärdienst für die Türkei. Eine Tochter gilt es zu finden, die sich ebenfalls der „Organisation“ angeschlossen hat. Und die Film-PKK hat sich nach der Festnahme ihres Führers gespalten: Ein von ausländischen Mächten gestützter Hardliner baut eine blutigere Variante in den Großstädten auf und finanziert das Ganze durch Drogengeschäfte. Ziel ist es, einen Bürgerkrieg in der Türkei zu entfachen und das Land zu spalten.

Auf die Frage, welche Szenen ihnen in der ersten Folge am meisten gefielen, antworten die Zuschauer auf der Website der Serie (www.kurtlarvadisi.com): „Die Angriffsszenen der PKK.“ Im Film halten die kurdischen Terroristen einen Bus an und lassen einen jungen Lehrer, Ingenieure und den Vater eines Polizisten aussteigen. Sie werden vor den Augen der übrigen Businsassen erschossen, weil sie „nichts in Kurdistan zu suchen haben“.

So einseitig die Serie ist: Auch linksliberale Journalisten wie Cüneyt Özdemir von CNN Türk finden das Sendeverbot falsch, weil staatliche Zensur nicht akzeptabel sei und andere Verbote mit sich brächte. Die Macher der Serie sind zudem der Ansicht, dass die Serie nicht zum Hass auf Kurden aufrufe, sondern auf die „Organisation“, deren Name ungenannt bleibt. Ziel sei es, den Bruderkrieg zu beenden.

Damit ist ein empfindlicher Nerv in der türkischen Gesellschaft angesprochen: Denn sie will ein Ende des Kampfes der PKK, sie will endlich Ruhe und Frieden haben. Die Serienfigur Polat Alemdar wird so zum Superhelden der Türken: Er bringt stellvertretend für alle den Mut, die Organisationskraft und das Geschick auf, dem seit einem Vierteljahrhundert währenden Krieg ein Ende zu setzen.

Die Produzenten haben nun ankündigt, die Serie im Internet weiter zu senden und in Kinos zu zeigen, falls das Sendeverbot bleibt. Bei Internet-Abstimmungen sprachen sich 70 Prozent der Teilnehmer für die weitere Ausstrahlung aus. Das Verbot macht erst recht scharf – die erste Folge ist bereits im Netz zu finden.