„Nicht zu befürchten, dass Öl ausläuft“

Exkapitän Michael Henatsch hält die Situation des havarierten japanischen Walfang-Fabrikschiffs in der Antarktis für weniger dramatisch als die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Seine Prognose: „Keine Angst, der Walfänger wird nicht sinken“

INTERVIEW HANNA GERSMANN

taz: Herr Henatsch, der japanische Walfänger „Nisshin Maru“ sitzt in der Antarktis fest, der Motor ist kaputt. Wären Sie Kapitän dort, was würden Sie tun?

Michael Henatsch: Als Erstes informiere ich die Reederei …

Das ist schon passiert.

Falls erforderlich macht die Reederei ein Bergungsunternehmen ausfindig und beauftragt es.

Wie viele Bergungsschiffe gibt es denn und vor allem wo?

Es gibt weltweit Bergungsunternehmen. Ihre Schiffe haben sie vor allem dort, wo viel passiert. Darum halten viele Firmen ihre Schlepper zum Beispiel im südafrikanischen Kapstadt bereit.

Auch in der Antarktis?

Nein, aber Schiffe aus Südafrika oder Neuseeland könnten in kurzer Zeit in der Antarktis sein.

Die Rettung kommt zu spät. Das havarierte Schiff soll nur zehn Seemeilen von der Packeisgrenze entfernt sein. Eisschollen könnten das Schiff beschädigen. Oder nicht?

Eine Eisscholle und ein Schiff treiben ungefähr in die gleiche Richtung, wenn kein starker Wind ist. Sie berühren sich vielleicht. Das führt aber noch nicht zu einem Loch im Rumpf. Ich sehe keine Gefahren, solange das Wetter gut bleibt.

Die Warnung von Greenpeace, das Schiff könne auseinanderbrechen, ist übertrieben?

Ist der Schiffsrumpf intakt, treibt der Walfänger allenfalls gegen die Packeisgrenze und lehnt sich dort gemütlich an. So gibt es keinen Grund, zu befürchten, dass Schweröl, Heizöl oder die Chemikalien zur Verarbeitung von Walfleisch an Bord auslaufen.

Waren Sie mit Ihrem Schiff schon in ähnlicher Situation?

Es passiert immer mal wieder, dass der Motor stehen bleibt. Vielleicht müssen die Maschinisten nur ein Einspritzventil wechseln – das ist eine Sache von zwanzig Minuten. Vielleicht dauern die Reparaturen aber auch zwölf Stunden.

Der Walfänger treibt aber schon seit vergangenem Donnerstag ohne Maschinenkraft. Warum will er sich nicht von Greenpeace helfen lassen?

Das Schiff der Umweltschützer, die „Esperenza“, ist womöglich nicht geeignet. Das Schiff könnte zu klein und zu schlecht ausgerüstet sein, um die „Nisshin Maru“ abzuschleppen.

Mancher glaubt, die Walfänger wollten die Kritiker nicht aufs eigene Boot holen. Aber sie haben das Angebot aus technischen Gründen abgelehnt?

Ganz sicher. Denn wenn das Schiff wirklich in Gefahr ist, treten solche politischen Erwägungen in den Hintergrund.

Wie sieht die professionelle Bergung jetzt aus?

Da kommt ein starker Hochseeschlepper. Nicht so ein kleiner Bugsierschlepper, der Schiffen etwa beim Anlegen im Hamburger Hafen hilft. Voraussetzung ist, dass dem Walfänger nicht nur Ersatzteile fehlen.

Was passiert dann?

Ein havariertes Schiff wird auf See zumeist mit der Ankerkette geschleppt. Dafür nimmt man den Anker ab. Die Kette wird dann mit schweren Schlepptrossen des Bergungsschiffs verbunden. Der Kapitän muss sehr, sehr vorsichtig anschleppen, bis er ganz allmählich Fahrt aufnimmt. Ein kleiner Ruck, und die Schleppverbindung bricht, dann kann man von vorne anfangen.

Wie oft geht das Abschleppen schief?

Irgendwann klappt es immer. Keine Angst, der Walfänger wird schon nicht sinken.