Unterföhring ruft Europa

Die ProSiebenSat.1 AG, eben selbst verkauft, will nun möglichst rasch die SBS-Sendergruppe schlucken und endlich zum europäischen Player aufsteigen. Rekordergebnis 2006 hilft dabei

VON STEFFEN GRIMBERG

Als um 10.30 Uhr am ProSieben-Stammsitz in Unterföhring die Pressekonferenz beginnt, steht die wichtigste Nachricht für die ProSiebenSat.1 Media AG noch aus: Bis gestern hätte die EU-Kommission der neuen Eigentümerstruktur der Sendergruppe widersprechen können. Die Investorengruppen KKR und Permira hatten im Dezember für rund drei Milliarden Euro die Aktienmehrheit des US-Medienunternehmers Haim Saban gekauft. „Wir rechnen damit, dass die Zustimmung noch im Laufe des Tages erteilt wird“, ist ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch zuversichtlich – schließlich handele es sich um eine reine Formsache.

Eine Formsache allerdings, die Bedingung ist für den nächsten, deutlich größeren Schritt: Schon bis Herbst 2007 will ProSiebenSat.1 seinerseits die Sendergruppe SBS übernehmen, so de Posch. SBS gehört praktischerweise ebenfalls KKR/Permira und kontrolliert über 20 Fernseh- und noch einmal so viele Radiosender in Skandinavien, den Beneluxstaaten und Osteuropa. Ziel des neuen europäischen Medienkonzerns: von Unterföhring aus endlich dem bisherigen TV-Primus RTL Group den Rang abzulaufen.

Dass ProSiebenSat.1 gestern für das Geschäftsjahr 2006 ein Rekordergebnis vorlegen konnte, passt da schon mal ganz gut: Der Umsatz stieg auf 2,1 Milliarden Euro (2005: 1,99 Milliarden), das Vorsteuerergebnis um 36 auf 386,7 Millionen Euro. Die interne Leitgröße von 30 Prozent Marktanteil in der angeblich immer noch allein selig machenden, „werberelevanten Zielgruppe 14 bis 49“ wurde 2006 mit 29,4 Prozent zwar verfehlt. Doch da, so de Posch, habe die Fußballweltmeisterschaft klar die Startbedingungen zuungunsten des eigenen Ladens verändert.

Durch eisernes Sparen hat sich die Senderfamilie saniert, auch die Nettowerbeeinnahmen bei ProSiebenSat.1 legten 2006 um 3,1 Prozent zu. Für 2007 erwartet der Konzern nochmals eine deutliche Steigerung, außerdem spült der Anruf- und Zockersender Neun live weiter Geld in die Kassen: Das im Konzernjargon zum „Transaktionsfernsehen“ geschönte Konstrukt hat sein Betriebsergebnis (17,9 Millionen Euro) innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.

Weil die klassische TV-Werbung lahmt, setzt ProSiebenSat.1 zudem auf den Ausbau neuer Einnahmequellen wie Pay-TV (Sat.1 Comedy, Kabel 1 Classics), Video-on-Demand (Maxdome) und die in der Networld zusammengefassten Online-Angebote. Dennoch: Den Löwenanteil des Umsatzes macht man weiterhin im klassisch-werbefinanzierten Free-TV, ganze 11,3 Prozent steuert der neue Konzernbereich „Diversifikation“ bei. Macht nichts: Zum einen sollen es 2007 schon 16 Prozent sein, und außerdem werde das gute alte Fernsehen „aller Digitalisierung zum Trotz das wesentliche Medium der Menschen bleiben“, sagt de Posch.

Deshalb auch die geplante Übernahme von SBS, die allerdings einen Beigeschmack hat: Schließlich würde hier ProSiebenSat.1 (Hauptaktionär: KKR/Permira) ein Unternehmen kaufen, das wiederum KKR/Permira gehört. „Wir haben mit KKR/Permira keine Hasardeure an Bord und brauchen uns nicht zu fürchten“, beruhigt Finanzvorstand Lothar Lanz.

Bleibt die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Senderverbunds. Schließlich unterscheiden sich Deutschland und die SBS-Märkte kulturell wie sprachlich deutlich voneinander. „Es gibt Synergien, sonst würden wir wohl kaum verhandeln“, sagt de Posch – und das nicht nur in Sachen Verwaltung: Immer mehr TV-Formate „migrieren von Land zu Land “ – von Castings-Shows à la „Popstars“ oder „Germany’s Next Top-Model“ bis zu den Krimis der „CSI“-Welle, denen Sat.1 mit „R.I.S. – Die Sprache der Toten“ ab März einen weiteren Ableger hinzufügt. „Wir müssen uns als europäische Gruppe formieren“, fordert de Posch – denn dass das die Zukunft sei, sehe man ja gerade am Erzrivalen RTL.

Einer Übernahme von SBS durch ProSiebenSat.1 werden die europäischen Behörden allerdings erst recht zustimmen müssen. Bis gestern Nachmittag ist aber noch nicht einmal der Deal von Dezember durchgewunken.