Ostlinke rettet Westlinke

Die Eulenspiegel Verlagsgruppe kauft den Rotbuch Verlag und verspricht, ihn zu seinen Wurzeln zurückzuführen

Dass etwas passieren würde, war abzusehen. Dennoch überraschte es vorgestern selbst Insider der Branche, dass die kleine Unternehmensgruppe, die unter dem Namen Europäische Verlagsanstalt firmiert, den Rotbuch Verlag ausgerechnet an die ebenfalls ziemlich kleine Eulenspiegel Verlagsgruppe verkauft hat. Nicht an einen der Konzerne, die in den vergangenen Jahren angeschlagene oder insolvente Verlage aufgekauft haben, um deren Erfolgstitel anderweitig verwerten zu können.

Die Eulenspiegel Verlagsgruppe, die nichts mit dem Satiremagazin Eulenspiegel zu tun hat, hatte sich bislang vor allem auf Bücher für eine ostdeutsche Leserschaft und – beim Verlagsaufkauf – auf Ostunternehmen spezialisiert. Bis auf wenige Titel, etwa die Cartoon-Sammlungen von OL oder Rattelschneck, wurde vor allem das Erbe der DDR aufgearbeitet, manchmal mit bemerkenswerten Büchern, etwa den Werken von Rainer Kirsch, Peter Hacks oder Ruth Werner, mal mit überflüssigen bis ärgerlichen Büchern wie denen der albernen Rüpelband Knorkator oder „Wer lernt mir Deutsch?“ von Hansgeorg Stengel. Allerdings begriffen und begreifen sich alle Eulenspiegel-Verlage stets als linksgerichtet. Antikommunismus suchte man hier vergebens, das polemische Lob Stalins dagegen ließ man Peter Hacks milde lächelnd durchgehen. Und auch einige alte DKPisten trafen bei hier erstmals seit 1990 wieder auf offene Ohren.

Der Rotbuch Verlag hingegen hat eine Geschichte, die symptomatisch ist für all jene westlinken Verlage, die in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern von Apo-Aktivisten und frühen Feministinnen gegründet worden sind. Zunächst 1973 als Abspaltung aus dem Wagenbach Verlag gegründet, der sich nach einigen Kollektivexperimenten nicht länger mit renitenten Lektoren herumschlagen wollte, lehrte der Rotbuch Verlag die nun unternehmerisch tätigen Anne Duden, F.C. Delius und Ingrid Karsunke, was es heißt, die geilen linken Texte auch verkaufen zu müssen. Doch bald hatte sich Rotbuch einen herausragenden Autorenstamm aufgebaut und veröffentlichte Heiner Müllers gesammelte Werke, Dario Fo, Peter O. Chotjewitz, Helga M. Novak oder Peter-Paul Zahl. Feridun Zaimoglu, Pieke Biermann, Ronald M. Schernikau, Birgit Vanderbeke oder Emine Sevgi Özdamar wurden von Rotbuch entdeckt. 1993 wurde der kollektiv geführte Berliner Verlag dennoch an die Hamburger Verlagsgruppe verkauft, die ein paar Mal den Namen und die Eigentümerverhältnisse änderte, bis sie schließlich Europäische Verlagsanstalt hieß.

Spätestens dort war Rotbuch dann nur noch ein Imprint unter vielen, ein überlegtes Programm war kaum zu erkennen, auch wenn nun immerhin die Werke Franz Xaver Kroetz dort erschienen. Das „Rot“ im Verlagsnamen war bedeutungslos geworden. Klaus Wagenbach, der das Wort „Rotbuch“ einst – für eine seiner Buchreihen – geprägt hatte, forderte sogar den Namen zurück, da er nicht mit ansehen mochte, „dass dieser Name als GmbH-Mantel durch die Lüfte der freien Marktwirtschaft fliegt“.

Ob er ihn immer noch zurückfordert? Die neuen Verleger jedenfalls versprechen „eine Rückkehr zu den Wurzeln der Verlagsgeschichte“ und kündigen, neben den zuletzt übrig gebliebenen Programmreihen Krimi und Belletristik auch eine „für ein jüngeres Publikum konzipierte Sachbuchstrecke“ an, in der „eine geschichtliche Betrachtungsweise gepflegt und die Sichten von sozialen und ethnischen Minderheiten aufgenommen werden sollen“. Das klingt ja zunächst nicht schlecht. Die Ostlinke will die Westlinke wiederbeleben. Im Bundestag zumindest klappt das ja ein bisschen, wenn auch mit oft hässlichen Ergebnissen. JÖRG SUNDERMEIER