Erfolg für „schnörkellosen“ Vater

Karlsruhe hat einen spektakulären Kindschaftsstreit entschieden – zu Gunsten des Vaters

FREIBURG taz ■ Manche Kinder haben keine Eltern, der kleine Christofer hat zu viele. Wie bei der Fabel vom Kaukasischen Kreidekreis streitet der leibliche Vater Kazim Görgülü mit den Pflegeeltern, bei denen der Sohn wohnt, um das Sorgerecht oder zumindest regelmäßige Besuchszeiten. Gestern hat nun das Bundesverfassungsgericht endgültig geklärt, wie oft der Vater sein Kind sehen kann. Der Fall Görgülü ist der wohl bekannteste und spektakulärste Streit um ein Kind in Deutschland.

Die Mutter des Kindes hatte sich schon vor der Geburt von Görgülü getrennt und wollte ihren Sohn zur Adoption freigeben. Unterstützt wurde sie dabei vom Jugendamt. Seither lebt das Kind bei einem Lehrerehepaar in Sachsen-Anhalt. Doch Vater Görgülü war mit der Adoption nicht einverstanden. Zusammen mit seiner neuen Partnerin will er sein Kind selbst groß ziehen und beantragte das Sorgerecht.

Seither wird mit allen juristischen Mitteln gestritten. Die Pflegeeltern werfen Görgülü vor, er gefährde das Kindeswohl, weil sich der Junge inzwischen bei ihnen zu Hause fühle. Der leibliche Vater warnt vor dem Jähzorn des Pflegevaters und sieht sein Kind dort in schlechten Händen. Er glaubt, dass er als Türke und Muslim benachteiligt werde.

Die Behörden und Gerichte in Sachsen-Anhalt sind überwiegend auf Seiten der Pflegeeltern. Das Amtsgericht Wittenberge, das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben sich dagegen für Görgülüs Rechte eingesetzt. Allein das Bundesverfassungsgericht war schon siebenmal mit dem Fall befasst, weil die unteren Instanzen vaterfreundliche Urteile immer wieder unterlaufen. Im letzten September erhob die Staatsanwaltschaft gar Anklage wegen Rechtsbeugung gegen den kompletten 14. Senat des Oberlandesgericht (OLG) Naumburg.

Ein anderer Senat des OLG entschied im Dezember, dass Görgülü seinen Sohn ab März alle 14 Tage von samstags 11 Uhr bis sonntags 15 Uhr sehen darf. Hiergegen legte eine Behördenvertreterin im Namen des Kindes Verfassungsbeschwerde ein. Sie berief sich auf die Empfehlung einer Sachverständigen, die nur vier Stunden Umgang an jedem zweiten Samstag für richtig hielt. Das Kind sei mit dem Konflikt zwischen Pflegeeltern und leiblichem Vater bereits überfordert und müsse klar wissen, wo es hingehöre.

Karlsruhe bestätigte nun aber die Besuchsregelung. Das OLG durfte von der Empfehlungen der Sachverständigen abweichen, weil es eine eigene rechtliche Bewertung treffen muss. Dabei habe das OLG berücksichtigt, dass Vater Görgülü bei den bisherigen Begegnungen mit seinem Sohn „intuitiv und schnörkellos sicher“ gelungen sei, Kontakt zu seinem Kind aufzubauen.

Abgelehnt wurde gestern allerdings auch eine Verfassungsbeschwerde von Görgülü, der noch mehr Umgang an christlichen und muslimischen Feiertagen erreichen wollte.

Der Fall ist damit sicher noch nicht zu Ende. Zum einen ist es bisher schon bei der Abwicklung des Besuchsrechts immer wieder zu Konflikten gekommen, so dass Görgülü seinen Sohn oft monatelang nicht sehen durfte. Zum anderen läuft noch Görgülüs Klage auf das Sorgerecht, über die demnächst der Bundesgerichtshof entscheidet. Das OLG Naumburg hatte dem Vater das Sorgerecht verweigert. Erst wenn die Sorgerechtsfrage geklärt ist, kann auch endgültig entschieden werden, ob die Pflegeeltern das Kind adoptieren können.

Derzeit verlangt das Land von Görgülü Unterhalt für die Pflegekosten. Der Vater will aber nicht zahlen, solange die Behörden seine Interessen missachten. Der Streit um das arme Kind wird also weitergehen.

(AZ. 1 BvR 125/ 07 und 1 BvR 217/07)