nebensachen aus beirut
: Marathon an der Uferpromenade in Zeiten der innenpolitischen Krise

Früh am Sonntagmorgen sind sie wieder an der Uferpromenade unterwegs: Beiruts Jogger, Walker und Spaziergänger. In der Stadt ohne Grünflächen ist die lange, von Palmen gesäumte „Corniche“ der einzige Ort, an dem sich die Freizeitsportler mit Walkman- oder i-Pod-Stöpseln in den Ohren ein paar Kilometer unbelästigt von rücksichtslosen Autofahrern fortbewegen können. Und besser atmen lässt sich morgens zwischen sieben und acht auch: Schon kurze Zeit später sind die Lungen wieder von den Abgasen der alten 200-er Mercedes-Taxis aus den 1970er-Jahren verstopft. Nur einmal im Jahr sind Vierräder ganz von der Uferstraße verbannt. Denn trotz des Krieges zwischen den schiitischen Milizionären der Hisbollah und Israel im Sommer und der anhaltenden innenpolitischen Krise halten die Organisatoren des Beirut International Marathon (BIM) hartnäckig an ihrem 42-Kilometer-Rennen fest. „For the Love of Lebanon“ stand bis Dezember auf dem großen Werbetransparent quer über der vierspurigen Straße. Rechts neben dem Gehweg markiert noch heute ein Schild die Zwei-Kilometer-Marge, nur wenige Schritte hinter dem in der ersten Kriegswoche von einem israelischen Kampfhubschrauber beschossenen Leuchtturm.

Diesmal fand das Großereignis nicht schon Ende November statt. Der Mord an Libanons Industrieminister Pierre Gemajel warf alle Planungen über den Haufen. Um eine Woche verschoben die Veranstalter deshalb Marathon, Zehn- und Fünf-Kilometer-Kinderrennen – und das, obwohl schon über 18.000 Anmeldungen eingegangen waren. Auch der damalige französische Oberkommandierende der UN-Libanon-Schutztruppe Unifil, General Alain Pellegrini, hatte seine Teilnahme an dem Zehn-Kilometer-Lauf zugesagt.

Stattdessen Business as usual in Beirut: Krisenstimmung – wenn auch bei strahlendem Sonnenschein unter herrlich blauem Himmel. „Wir sind wie ein Kühlschrank“, erklärte der Marathon-Cheforganisator Mark Dickinson, „alles ist cool.“ Am 11. Juli, einen Tag vor Beginn des 34-tägigen Krieges, hatte er den dritten Beirut-Marathon unter dem Motto „The World is Running to Lebanon“ angekündigt, nur um sich kurze Zeit später in der humanitären Hilfe für die nach Beirut geflohenen Flüchtlinge aus dem Südlibanon wiederzufinden.

Keine 24 Stunden nach Verkündung der Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel dann der Beschluss, das Rennen doch noch zu organisieren. Nur das Motto musste geändert werden, da waren sich Dickinson und sein Team einig: „For the Love of Lebanon“, prangte es wochenlang überall in Beirut von Häuser- und Plakatwänden – der Marathonlauf als Symbol für das Stehaufmännchen Libanon. Und auch für dieses Jahr wird sich ein neuer Slogan sicher finden lassen. Schon kurz nach Kriegsende sorgte der Whiskyhersteller Johnny Walker mit einem Plakat für Aufsehen: „Keep Walking“ hieß es da in großen Lettern neben einer zerschossenen Brücke, über die ein Mann wenig beeindruckt läuft. Wie wär's denn mit „Keep Running“?

MARKUS BICKEL