Hertha übt sich in Zurückhaltung

Gegen den VfB Stuttgart spielen die Berliner reinsten Defensivfußball – und sichern sich so ein torloses Unentschieden. Beim zweiten Duell gegen die Schwaben am Mittwoch im DFB-Pokal will Hertha zeigen, dass das Team auch offensiv punkten kann

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Dieter Hoeneß stand im Kabinengang des Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadions und sah aus, als erwarte er einen Kälteeinbruch. Einen dicken, grauen Schal hatte er sich um den Hals geschlungen und sich in einen ebensolchen Mantel gehüllt. Was dann kam an „Minustemperaturen“, bewältigte der Hertha-Manager spielend.

Hoeneß hat in Berlin schon Schlimmeres erlebt als dieses 0:0 am Freitagabend beim VfB Stuttgart, bei dem seine Herthaner nicht gerade durch herzerfrischenden Angriffsfußball auffielen. „Was wollen Sie denn?“, fragte Hoeneß, schaute streng und hatte die paar Zuhörer vor ihm im Handumdrehen einen Schritt weiter nach hinten getrieben. „Erwarten Sie etwa, dass wir am Mittwoch jetzt mit fliegenden Fahnen hier auftreten?“ Schließlich habe Stuttgart in letzter Zeit alles „weggeschossen“.

Das reichte als Rechtfertigung für die zurückhaltende Taktik beim Bundesligaspiel mit einer Spitze in Gestalt von Marko Pantelic und einer fundierten Defensive. Die Berliner schienen wie zum Test in Stuttgart. Am Mittwoch müssen sie wieder hierher, diesmal zum DFB-Pokal.

Ein bisschen geschludert

Was hätte er auch sonst sagen sollen, Hoeneß – und auch Trainer Falko Götz? Sie gingen pfleglich mit ihrem Team um, „das sich nach vorne das ein oder andere Mal nicht durchsetzen konnte“ (Götz). Ein bisschen „geschludert“ habe man beim „letzten Pass“, meinte Hoeneß, der sonst eine „taktisch hervorragende“ Darbietung beobachtet hatte. Das werde am Mittwoch noch besser, weil „Friedrich zurückkommt“. Götz sagt sogar ein „anderes Spiel“ voraus. Sie werden es offensiver gestalten müssen.

„Da bin ich mal gespannt“, frotzelte Stuttgarts Manager Horst Heldt. „Deren Konzept ist heute auf alle Fälle aufgegangen. Wir aber, wir haben in der Liga den Abstand zu den Berlinern gehalten.“ Am Mittwoch wird der diesmal gesperrte Mexikaner Pavel Pardo wieder ins schwäbische Wettkampftrikot schlüpfen. „Das wird uns wieder mehr Stabilität geben“, so Heldt.

Falko Götz saß nur da und lächelte vielsagend. Ihm und seinem Kollegen Armin Veh hätten in den Augenblicken der Pressekonferenz Sonnenbrillen gut zu Gesicht gestanden. Wie bei einer Pokerpartie grinsten sie vor sich hin, warfen sich allerlei Scherze zu – und sagten gar nichts. „Ich kann da nichts verraten, der Armin sitzt ja da“, sagte Götz.

Stattdessen lobten er und Hoeneß lieber den Auftritt des erst 18 Jahre alten Christopher Schorch, der eine Viertelstunde vor Schluss ins Spiel kam. „Er hat seine Sache gut gemacht“, urteilte Götz. Und der Debütant offenbarte, er habe den ersten Auftritt in der Bundesliga sogar richtig genossen. Als Hoeneß schließlich sagte: „Hier muss und kann man so spielen“, galt das auch für Schorch, den „Hochtalentierten“.

Meister der Mauer

Am Mittwoch im DFB-Viertelfinale erwarten die Stuttgarter eine Art Mannschaft der Mauermeister aus Berlin. Ob dann Askhan Dejagah auch wieder nur so kurz mit dabei ist? „Der arme Kerl hat wirklich nichts ausgelassen“, sagte Hoeneß und grinste hinter seinem Schal hervor. „Der hat eine Woche hinter sich.“ Zuerst verärgert er Hoeneß mit seiner Unterschrift für die neue Saison beim VfL Wolfsburg, dann wird er von zwei Polizisten aus seiner Wohnung abgeholt, muss eine Nacht im Gefängnis zubringen, weil er es versäumte, zu einem Gerichtstermin zu erscheinen, und nun auch noch Gelb-Rot in Stuttgart. Zu dem Zeitpunkt hatte er gerade 25 Minuten gespielt.

Kein Vorwurf purzelte den Hertha-Machern aus dem Mund. Könnte gut sein, dass sie Dejagah am Mittwoch brauchen. Mit neuem Mut.