berliner szenen Saubere Kreise ziehen

Neukölln on Ice

„Schöfeln, so nennt man das in Holland“, sagt mein Freund, als wir mit unseren lässig über die Schulter geworfenen Schlittschuhen vor dem Kassenhäuschen des Eislaufstadions Neukölln stehen. Dort kann man auch bei weniger winterlichen Temperaturen draußen für 3 Euro 30 Schlittschuh laufen. Studenten zahlen die Hälfte, doch die Kassiererin blickt uns sogleich prüfend an und sagt: „Wenn Se über 27 sind, können Se den Ausweis stecken lassen. Dann kostet’s den vollen Preis.“

Ich sehe nicht nur alt aus, ich fühle mich auch so, als ich mit meinen Schlittschuhen auf die Eisfläche stakse. Das letzte Mal bin ich mit zwölf Jahren Schlittschuh gelaufen. Das ist jetzt 21 Jahre her, aber meine Schuhe sehen noch genauso aus wie damals. Nach zwei Runden vornübergebeugtem Humpeln bin ich schweißgebadet. Ich hatte vergessen, wie anstrengend das ist. Mein Freund zieht saubere Kreise und fährt sogar erfolgreich rückwärts. Vier junge Männer um die sechzehn, denen ich nicht alleine im Dunklen begegnen möchte, fahren elegante Bögen, den Kopf in der Luft, die Hände auf dem Rücken. Die Mädchen, die sie zu beeindrucken versuchen, halten sich an den Händen und bleiben im Takt des Achtziger-Jahre-Soundtracks. „Don't you forget about me“ schallt es aus vier Lautsprechern. Ein kleiner Junge hat sich in der Mitte der Eisfläche bäuchlings hingelegt und bleibt dort konsequent liegen. Ein russischer Mann Mitte 40 gibt an vor zwei Russinnen gleichen Alters, die seine rasanten und mir äußerst gefährlich vorkommenden Bremsmanöver johlend ermutigen. Auf der Eisbahn daneben üben zehnjährige Mädchen den doppelten Rittberger und andere Figuren. Ob man das auch Schöfeln nennt? MAREIKE BARMEYER