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Ohne heiligen Geist

„Modernity?“ Nach den lokalen Kontexten der Moderne fragt das erste von drei Magazinen zur documenta 12, vorgestellt in der Secession in Wien

VON BRIGITTE WERNEBURG

Roger Martin Buergel, Leiter der documenta 12, lehnte sich sehr entspannt und sehr weit zurück am Montagabend, als in der Secession in Wien das erste der drei documenta 12 magazines vorgestellt wurde. Pablo Lafuente, Redakteur des in Los Angeles und London erscheinenden Kunstmagazins Afterall, und die für die Grafik der documenta verantwortliche Gestalterin Martha Stutteregger folgten konzentriert den Ausführungen von Georg Schöllhammer, der für die aufeinander folgenden Magazine „Modernity?“, „Life!“ und „Education“ verantwortlich zeichnet. Währenddessen studierte Buergel angelegentlich die Decke des Jugendstilgebäudes der Secession.

Auch als er selbst das Wort ergriff, blieb sein Blick nach oben gerichtet, gerade so, als ob er warte, dass gleich der Heilige Geist in die Runde niederfahre. Dabei brauchte es dieses Wunder gar nicht. Das Heft selbst hätte erst einmal gereicht, dem Buergel nicht nur „intellektuelle Tiefe“, sondern auch „Anmut“ konzedierte. Nicht zu Unrecht, wie sich herausstellte, als man die schlicht und zurückhaltend auftretende Publikation schließlich in Händen hielt. Martha Stutteregger hatte die Schriften zweier junger Typografen ausgewählt: Sie geben dem Heft durchaus die Anmutung jener Modernität des 20. Jahrhunderts, die mit einer der Leitfragen der documenta – „Ist die Moderne unsere Antike?“ – angesprochen wird und dabei gleichzeitig aktuell und zeitgemäß ausschauen. Tatsächlich entstammen die Schriften – „Akkurat“ von Laurenz Brunner für den englischen, serifenlos gesetzten Text und die Antiquaschrift „Mercury“ von Jonathan Hoefter für den deutschen Text – dem 21. Jahrhundert. Sie sind gerade mal drei Jahre alt.

So viel zur Anmut, die auch in den sorgfältig und spannungsreich layouteten Bildstrecken deutlich wird. Die intellektuelle Tiefe des ersten Hefts ist schon erprobt, insofern es eine Auswahl schon veröffentlichter Beiträge versammelt, die von den verschiedenen, zur Mitarbeit eingeladenen Magazinen vorgeschlagen wurden.

Denn ungewöhnlich ist die Entstehungsgeschichte von „Modernity?“. Auf der Datenbasis von international 800 relevanten Kunst-, Kultur- und Theoriemagazinen lud Georg Schöllhammer vor eineinhalb Jahren rund 95 Magazine ein, über Motive und Themen der documenta 12 nachzudenken. Herausgekommen ist ein Projekt, das die Magazinredaktionen nicht nur online, sondern auch über Workshops und konkrete Treffen vernetzte, deren Diskussionen nun in mehr als 300 Beiträgen ihren Ausdruck finden. Die Aufsätze, Interviews, Glossen und Bildessays zu einzelnen Künstlern und Kunstprojekten werden in den drei Printausgaben, aber auch im Webjournal der documenta vorgestellt.

Ohne den folgenden Ausgaben vorzugreifen, fällt zunächst einmal angenehm auf, dass die documenta magazines keinen intellektuellen Starreigen präsentieren, sondern versuchen, Einblick in die Arbeit der beteiligten Redaktionen zu geben. Viele davon kennt man nicht; insofern ist es schade, dass im ersten Heft eine Synopsis zu deren Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte fehlt. Zumal die Beiträge des Hefts von je spezifischen, lokalen Situationen der Moderne berichten, ihren zeitlich verschobenen oder auch abgebrochenen Entwicklungen; eine genauere Verortung der aktuellen Diskussionsplattform wäre für die bessere Kontextualisierung der Beiträge hilfreich. Die documenta als alleinige Referenz reicht nicht aus. Der Heilige Geist wird es auch nicht richten. Eher schon bietet sich das Webjournal dafür an, die notwendigen Ergänzungen und Erläuterungen zu liefern.

documenta magazine No. 1, 2007, „Modernity?“, Hg. Georg Schöllhammer, Taschen Verlag Köln, März 2007, 224 Seiten, 12 Euro

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